Carney setzt auf Präventivschlag

Bank of England beschließt Lockerungspaket - Wachstumsprognose gesenkt - Weitere Zinssenkung möglich

Carney setzt auf Präventivschlag

Die Bank of England schießt aus allen Rohren, um zu verhindern, dass der Volksentscheid für den EU-Austritt einen wirtschaftlichen Absturz nach sich zieht. Die Ökonomen der Notenbank haben ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum 2017 radikal gesenkt. Eine präventive Zinssenkung, die Wiederaufnahme von Quantitative Easing und ein Programm zur Förderung der Kreditvergabe sollen das Schlimmste vermeiden helfen.hip London – Die Bank of England stemmt sich mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket gegen potenzielle Gefahren für die britische Wirtschaft nach dem Volksentscheid für einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Obwohl bislang keine harten Daten dazu vorliegen, wie sich die Wirtschaft nach dem Referendum am 23. Juni entwickelt hat, senkten die Ökonomen der Zentralbank mit Blick auf die schwachen Stimmungsindikatoren ihre Prognose für das Wachstum im kommenden Jahr auf 0,8 %. Im Mai hatten sie noch 2,3 % angesetzt. Für das laufende Jahr rechnen sie nach einem starken zweiten Quartal zwar weiterhin mit einer Expansion von 2 %. Sie fürchten jedoch eine höhere Arbeitslosigkeit, sinkende Immobilienpreise und rückläufige Investitionen der Unternehmen. Das National Institute of Economic and Social Research (NIESR) und der Internationale Währungsfonds senkten zuletzt ihre Schätzungen für 2016 auf 1,7 %.Wie die Notenbank nach der Sitzung des geldpolitischen Komitees (MPC) mitteilt, wird der Leitzins – wie allgemein erwartet – um 25 Basispunkte auf ein neues historisches Tief von 0,25 % gesenkt. Wenn sich die Dinge so wie im Inflationsbericht prognostiziert entwickelten, sei eine Mehrheit der MPC-Mitglieder für eine weitere Zinssenkung in diesem Jahr auf “nahe null, aber etwas darüber”. Am Markt wird die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schritts bereits auf 33,5 % beziffert. Notenbankchef Mark Carney schloss auf der Pressekonferenz zur Zinssenkung aus, dass es künftig auch zu negativen Zinsen kommen könnte. “Wie Sie vielleicht wissen, bin ich kein Fan von negativen Zinsen”, sagte der Kanadier.Die Zentralbank kündigte an, erneut Staatsanleihen (Gilts) zu kaufen – für 60 Mrd. Pfund binnen sechs Monaten – und zudem erstmals auch erstklassige Corporate Bonds zu erwerben (für 10 Mrd. Pfund binnen 18 Monaten). Drei der neun MPC-Mitglieder stimmten gegen das Wiederanfahren von Quantitative Easing. Lediglich Kristin Forbes votierte gegen den Kauf von Corporate Bonds. Das MPC-Mitglied Minouche Shafik deutete an, dass die Bank nachrangige Investment-Grade-Bonds kaufen wolle. Daraus ergibt sich ein Anlageuniversum von rund 150 Namen, die Anleihen für rund 150 Mrd. Pfund begeben haben. Illiquider Markt”Die Bank of England hat schon einmal versucht, diesen Markt zu betreten, als sie das erste Mal Quantitative Easing betrieb”, schreiben die Analysten von Nomura. “Sie befand, dass sie für diesen kleinen und illiquiden Markt zu groß ist.” Bondanleger hätten sich vor der gestrigen Ankündigung wenig begeistert von der Idee gezeigt, dass es die Notenbank noch einmal versuchen könnte. “Es wird interessant zu beobachten sein, welchen Schaden diese Maßnahme anrichtet, wenn sie Mitte September anläuft.” Simon Ward, Chefvolkswirt von Henderson Global Investors, merkte an, dass sich die nun geplanten monatlichen Käufe gemessen am Bruttoinlandsprodukt nur auf ein Drittel des 2009 erreichten Niveaus summierten.Ein “Term Funding Scheme”, das an das “Funding for Lending”-Programm erinnert, soll Banken ermuntern, das niedrigere Zinsniveau an die Kunden weiterzugeben. Die Banken hätten keine Entschuldigung dafür, es nicht zu tun, sagte Carney. “Sie sollten ihre Kunden anschreiben und sie das wissen lassen.” Das Vorgängerprogramm wurde auch als “Funding for not Lending” verspottet. Bankvolkswirte hatten die Geldpolitiker vor der Zinsentscheidung aufgefordert, lieber zu viel als zu wenig zu tun. Schatzkanzler Philip Hammond begrüßte die Maßnahmen der Bank of England. “Es ist richtig, dass die Geldpolitik während dieser Anpassungsphase dazu genutzt wird, die Wirtschaft zu stützen”, sagte er. Hammond kündigte zudem an, bei seinem “Autumn Statement” entsprechende fiskalische Maßnahmen vorzustellen.Die Ökonomen der Notenbank rechnen nun damit, dass der Preisauftrieb bereits im dritten Quartal 2017 bei 1,9 % liegen wird. Im Mai hatten sie noch 1,5 % auf der Rechnung. “Das MPC treibt Schindluder mit dem Inflationsziel, wenn Stimuli beschlossen werden, obwohl man andererseits vorhersagt, dass die Teuerungsrate 2018/19 über die angestrebten 2,0 % steigen wird”, sagte Ward.