Carney warnt vor steigenden Lebensmittelpreisen
hip London – Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, hat vor dem Finanzausschuss des britischen Unterhauses vor noch mehr Unheil im Falle eines ungeordneten Brexits gewarnt: Die Lebensmittelpreise könnten steigen. Die britischen Häfen seien nicht bereit für einen Austritt ohne Übereinkunft mit Brüssel. “Im extremsten Szenario stehen 10 % mehr auf ihrem Kassenzettel”, sagte der Kanadier den Abgeordneten. Brexit-Befürworter argumentieren dagegen, dass sich Lebensmittel verbilligen werden, weil das Land nach dem EU-Austritt zu Weltmarktpreisen einkaufen könne. “Fadenscheinig, willkürlich”Carneys Vorgänger Mervyn King übte in einem Kommentar für Bloomberg scharfe Kritik an Carney. Vor dem EU-Referendum habe man erfolglos versucht, die Bevölkerung mit der offiziellen Wirtschaftsprognose zu verängstigen, damit sie für “Remain” stimme. Die auf “fadenscheinigen und willkürlichen” Annahmen beruhenden Vorhersagen hätten sich im Anschluss als falsch erwiesen. Die gleiche Strategie sei nun wieder aufgetaucht. “Es betrübt mich, wenn ich sehe, dass die Bank of England unnötigerweise in dieses Projekt hineingezogen wird”, schreibt King. Ihre Annahmen seien nicht plausibel. Er stimme dem Nobelpreisträger Paul Krugman zu, der mit Bezug auf die Schätzungen der Notenbank von “dubiosen” und “fragwürdigen” Zahlen “aus der Black Box” gesprochen habe.Carney wies Kings Attacke als “vollständig unfair” zurück. Die Bank sei schließlich dazu aufgefordert worden, ihre Szenarien vorzulegen. “Es gab einmal eine Zeit, vielleicht eine einfachere Zeit, aber eine weniger erfolgreiche Zeit, in der die Bank nichts anderes getan hat, als sich auf die Inflation zu konzentrieren”, fügte er hinzu. “Und wir wissen alle, was dabei herausgekommen ist.” Während Kings Amtszeit begann die weltweite Finanzkrise, die von der Notenbank erst spät als solche wahrgenommen wurde. Er habe das Wochenende mit Roberto Azevedo, dem Chef der Welthandelsorganisation WTO, verbracht, sagte Carney. Wenn Großbritannien keine Zölle auf Güter aus der EU erheben wolle, um auch weiterhin die Vorteile des zollfreien Handels mit der Staatengemeinschaft genießen zu können, könne es auch auf Importe aus anderen Ländern keine Zölle erheben.Unterdessen verlor die Regierung eine wichtige Unterhausabstimmung: Ihre Weigerung, die Rechtsgutachten zum Austrittsvertrag offenzulegen, wurden als Missachtung des Parlaments gebrandmarkt. “Tarp Playbook”Am kommenden Dienstag wird über den von Premierministerin Theresa May vorgelegten Kompromiss mit Brüssel entschieden. Alan Houmann, Head of Government Affairs der Citigroup für die Region Europa, Nahost und Afrika, geht davon aus, dass es erst am frühen Mittwochmorgen zur Abstimmung kommt. Derzeit sehe es so aus, als könnten May mehr als 100 Stimmen fehlen. In der Downing Street gebe es Leute, die ganz offen vom “Tarp Playbook” sprechen, sagt Houmann – eine Anspielung auf das Troubled Asset Relief Program (Tarp) der US-Regierung aus dem Finanzkrisenjahr 2008. Der Kongress wollte das 700 Mrd. Dollar schwere Bankenrettungsprogramm zunächst nicht gutheißen. Nachdem der Dow Jones den größten Tagesverlust aller Zeiten verbuchte, stimmten Senat und Repräsentantenhaus aber doch zu.