Castex will Rentenreform erneut verhandeln
wü Paris – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sie wegen der Covid-19-Pandemie auf Eis gelegt. Doch sein neuer Premierminister Jean Castex hat versprochen, die Verhandlungen mit den Gewerkschaften über die Rentenreform wieder aufzunehmen. Sich zu weigern, über sie zu sprechen, wo der Rechnungsausgleich und damit die Wahrung des aktuellen Systems in Gefahr seien, sei unverantwortlich, sagte er vor der zweiten Parlamentskammer. Er werde zusammen mit den Gewerkschaften die Methode und den Zeitplan festlegen.Castex hat bereits durchklingen lassen, dass er bei den Verhandlungen zwei Themenkomplexe voneinander trennen will, die bisher beide in dem Reformprojekt Macrons enthalten sind: das geplante einheitliche Rentensystem, das die derzeit 42 verschiedenen Rentensysteme ersetzen soll, und die ausgeglichene Finanzierung des Rentensystems. Das einheitliche Rentensystem, das de facto die sogenannten Spezialrenten mit ihren zahlreichen Privilegien beenden würde, sei eher ein langfristiges Projekt, bei dem die Beratungen mit den Gewerkschaften wieder aufgenommen werden müssten, meint er. Dagegen sei die Finanzierung der Rentenkassen, die unter den Folgen der Coronavirus-Krise leiden, ein kurzfristigeres Thema.Der am vergangenen Freitag ernannte Premierminister hat am Donnerstag begonnen, Vertreter der verschiedenen Sozialpartner zu treffen. Für sie haben die Sicherung von Arbeitsplätzen und der von Wirtschaftsminister Bruno Le Maire versprochene Plan zur Wiederankurbelung der Wirtschaft absolute Priorität. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet, dass die Arbeitslosenquote in Frankreich Ende des Jahres auf 10,3 % steigen wird, bei einer zweiten Welle sogar auf 12,6 %. Sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgebervertreter finden deshalb, dass derzeit nicht der geeignete Zeitpunkt sei, um erneut über die Rentenreform zu verhandeln. Diese stößt in Frankreich auf großen Widerstand.