DIE GRIECHENLAND-KRISE - KOMMENTAR

Causa EZB

Auf Teufel komm raus hat die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Wochen zu verhindern versucht, dass sie über Wohl und Wehe Griechenlands entscheiden muss. Und nun findet sie sich doch exakt in dieser Rolle wieder: Gewährt sie trotz der...

Causa EZB

Auf Teufel komm raus hat die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Wochen zu verhindern versucht, dass sie über Wohl und Wehe Griechenlands entscheiden muss. Und nun findet sie sich doch exakt in dieser Rolle wieder: Gewährt sie trotz der gescheiterten Gespräche zwischen Athen und Brüssel weiter ELA-Notfallkredite für die Hellas-Banken oder stoppt sie die Hilfen – was in die Pleite des Bankensystems und des Staats münden würde? Am Sonntag hat sich der EZB-Rat zunächst für ein “Ja, aber” entschieden: ja zur ELA-Gewährung, aber keine Aufstockung.So klar die Beweggründe der EZB sein mögen, so fragwürdig ist das Festhalten an ELA. Das eigentliche Übel aber liegt in der verfehlten Strategie in den vergangenen Wochen: Die EZB hat zu lange gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Nun muss sie vor allem die nötigen Lehren ziehen – die weit hinausreichen über die Causa Griechenland.Keine Frage: Hätte die EZB die Emergency Liquidity Assistance (ELA) am Sonntag sofort eingestellt, hätte das turbulente Wochenende wohl endgültig im Chaos geendet. Richtig ist auch, dass sie nun zumindest einen Warnschuss abgefeuert hat und es endlich Kapitalverkehrskontrollen gibt. Fakt ist aber auch, dass die Voraussetzungen für ELA kaum mehr erfüllt sind: Die Solidität der griechischen Banken ist mehr als fraglich. Die Grenze zur Konkursverschleppung ist fließend. Spätestens wenn Athen heute die Rückzahlung von 1,6 Mrd. Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht leistet, muss der EZB-Rat sein Votum überdenken. Dann lässt sich die Mär von den solventen Banken kaum aufrechterhalten, sind diese doch auf Gedeih und Verderb mit dem Staat verquickt.Den Kardinalfehler aber hat die EZB in den vergangenen Wochen gemacht. Mit ihren stetigen ELA-Erhöhungen hat sie bei den irrlichternden Ideologen in Athen, aber auch bei den konfliktscheuen Geldgebern die Illusion geschürt, dass die fruchtlosen Verhandlungen immer so weitergehen könnten. Spätestens Anfang/Mitte Juni hätte sie klarmachen müssen, dass ohne Einigung bis Ende Juni die Grundlage für ELA entfällt. Sie hätte die Hilfen auch längst deckeln sollen, statt die von Athen provozierte Kapitalflucht zu alimentieren. Mit dem zeitlichen Vorlauf hätte die Politik für die nötigen Alternativen sorgen müssen – oder nicht. Das wäre aber eben deren Verantwortung gewesen.Das führt zu den Lehren, die die EZB aus den vergangenen Wochen ziehen sollte: Sie muss der Politik klar und früh ihre Grenzen aufzeigen, statt sich immer weiter überfordern zu lassen. Sie muss sich auch genau überlegen, welche Risiken sie eingehen will: Das Entgegenkommen der Euro-Hüter erklärt sich auch damit, dass keiner gesteigerte Lust verspürt, bei einem Grexit zu erklären, wie es zu Milliardenverlusten der EZB kommen konnte. Und sie darf sich nicht so gemein machen mit der Politik, sondern muss ihre Unabhängigkeit wahren.Das alles – die eigenen Grenzen, die Verlustrisiken, die Politisierung – spielt hinein in die Debatte um das Quantitative Easing (QE) samt breitem Staatsanleihekauf. Es sollten deshalb alle Alarmglocken schrillen, wenn sich nun wieder alle Blicke allein auf die EZB richten, um potenzielle Schäden für die Währungsunion abzuwenden. Es ist höchste Zeit, dass die Politik ihrer Verantwortung gerecht wird: Wenn sie Griechenland im Euro halten will, muss zuvorderst sie die notwendigen Schritte ergreifen und Gelder bereitstellen. Wenn sie Angriffe auf die Währungsunion befürchtet, muss vor allem sie die nötigen Vorkehrungen treffen, was institutionelle Reformen und “Brandmauern” betrifft. Sie ist demokratisch legitimiert und im Zweifelsfall zur Verantwortung zu ziehen.Es ist ebenso bezeichnend wie erschreckend, wenn nun in der EU viele davon reden, dass ein Grexit doch keinesfalls ausgemachte Sache sei – dieses Szenario aber vor allem deshalb nicht schon Realität ist, weil die EZB unter mindestens extremer Dehnung von Mandat und Recht das Überleben der Hellas-Banken und indirekt des Staates garantiert. Dieses unwürdige Spiel muss die EZB beenden – ein für alle Mal.