Ceta-Debakel für die EU fast perfekt

Belgien kann das Wallonie-Problem vorerst nicht lösen - EU-Kanada-Gipfel aber noch nicht abgesagt

Ceta-Debakel für die EU fast perfekt

Nach zahlreichen Krisengesprächen und letzten Vermittlungsbemühungen stand am Montagnachmittag endgültig fest: Belgien kann dem Freihandelsabkommen Ceta vorerst nicht zustimmen, und das Problem wird auch bis zum eigentlich geplanten EU-Kanada-Gipfel am Donnerstag nicht gelöst werden.Von Andreas Heitker, BrüsselAm Montagmittag versuchte der belgische Ministerpräsident Charles Michel noch ein letztes Mal, in Gesprächen mit Vertretern der Wallonie, der französischsprachigen Region des Landes, Ceta zu retten. Dass er dabei erneut gegen eine Wand laufen würde, war schon vorher klar gewesen.Der wallonische Parlamentspräsident André Antoine teilte Michel schon vor dem Treffen öffentlich mit, dass mit Ultimaten und Drohungen nun einmal gar nichts zu machen sei, und gab zugleich den neuen Zeitplan zu Protokoll: “Eine vernünftige Zielmarke wäre Ende des Jahres. Bis dahin könnten wir es schaffen.” Als Michel später in Brüssel vor die Presse trat, konnte er nur verkünden, was ohnehin schon alle wussten: Es gibt keine Einigung. Die belgische Regierung hat vorerst kein Mandat, um Ceta zu unterzeichnen.Der EU-Kanada-Gipfel am Donnerstag wurde gleichwohl noch nicht abgesagt. EU-Ratspräsident Donald Tusk einigte sich mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau darauf, noch alle Optionen offenzuhalten. “Wir rufen alle Parteien auf, eine Lösung zu finden”, so Tusk. Es bleibe noch immer Zeit. Auf dem AbstellgleisIn der deutschen Wirtschaft herrschte dennoch schon allgemeine Betroffenheit über die Entwicklung. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, sprach von einem “schwarzen Tag” für Europas Handelspolitik, der mit einem großen Vertrauensverlust in die EU verbunden sei. “Ein Alarmsignal” sei dies, warnte der Maschinenbauverband VDMA. Und Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), moniert: “Belgische Regionalpolitiker haben die gesamte EU handelspolitisch aufs Abstellgleis manövriert.”Dass es bei Ceta um mehr geht als den künftigen Handel mit Kanada, ist mittlerweile jedem klar geworden. Selbst Ceta-Gegner brachen daher nicht in Jubel aus. “Die Art und Weise, wie Ceta gestoppt wurde, schadet Europas Handlungsfähigkeit”, sagt etwa der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Es sei einmal mehr deutlich geworden, dass die europäische Demokratie ein Effizienzproblem habe. Es sei “demokratisch nicht hinnehmbar, dass einzelne Regionen ganz Europa handlungsunfähig machen”.Ob es nun doch bis Donnerstag noch eine überraschende Wendung gibt oder tatsächlich das Jahresende als neue Option festgelegt wird – ein Schwarzer-Peter-Spiel hat in Brüssel längst begonnen. In der EU-Kommission wird mit dem Finger auf die Mitgliedsländer gezeigt, die auf ein Mitspracherecht bei Ceta gedrungen hatten. Aber auch die Brüsseler Behörde hat die Warnungen aus der Wallonie – die Vorbehalte in Namur sind längst bekannt – ebenso wie die belgische Regierung nicht ernst genug genommen. Die EU und Kanada hatten seit 2009 über Ceta verhandelt. Die EU-Wirtschaftsleistung könnte durch Ceta um jährlich 12 Mrd. Euro steigen, heißt es.—– Personen Seite 12