China auf Weg zur sanften Landung
Chinas Wirtschaftswachstum ist im vierten Quartal auf 6,4 % gesunken und erreicht damit den niedrigsten Wert seit der globalen Finanzkrise. Auch im neuen Jahr stehen die Zeichen auf eine weitere Abkühlung, die jüngsten Leistungsdaten für Dezember deuten aber auf eine Erholung im Industriesektor.nh Schanghai – Unter dem Eindruck des Handelsstreits mit den USA, einer latenten Investitionsschwäche und eines gedrückten Konsumvertrauens lassen Chinas Wirtschaftskräfte vorerst weiter nach. Zumindest aber haben die Daten des Statistikamtes vom Montag keine neuerlichen negativen Überraschungen gebracht. Im vierten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt noch um 6,4 % gegenüber der Vorjahresperiode vorangekommen, was in etwa den Analystenerwartungen entspricht.Damit hat die Wirtschaft nach 6,7 % Wachstum in der ersten Jahreshälfte und 6,5 % im dritten Quartal sukzessive an Schwung verloren, wobei sich vor allem auch der Handelsstreit mit den USA als Bremsfaktor erwiesen hat. Im internationalen Vergleich legt China noch immer äußerst hohe Wachstumsraten vor, für das Reich der Mitte aber bedeutet das jetzige Niveau die schwächste BIP-Expansionsrate seit dem ersten Quartal 2009, als die globale Finanzkrise eine heftige Wachstumsdelle mit sich brachte, die allerdings mit einem groß angelegten Konjunkturstimulierungspaket rasch überwunden werde konnte. Auch für das Gesamtjahr 2018 erreicht Chinas Wirtschaftswachstum mit 6,6 % einen historisch niedrigen Wert. Um eine schwächere Expansionsrate zu finden, muss man bis ins Jahr 1990 zurückgehen.Nach Ansicht der Experten ist die Talsohle noch nicht erreicht. Auch für den Fall, dass sich der Handelskonflikt mit den USA nicht weiter verschärft, und mit Blick auf eine Reihe von bereits eingeleiteten fiskalischen und monetären Stimuli in den letzten Wochen und Monaten wird mit einer fortgesetzten weiteren Abkühlung im laufenden Jahr gerechnet. Gegenwärtig pendelt sich die Konsensschätzung auf ein Wachstum von 6,3 % an, dabei gilt vor allem der Ausgang der Handelsgespräche mit den USA als maßgeblicher Unsicherheitsfaktor.In den vergangenen Wochen hatten chinesische Einkaufsmanagerdaten und eine überraschend schwache Außenhandelsperformance im Dezember neue Unsicherheiten geschürt. So gesehen gilt die jetzt gezeigte BIP-Entwicklung eher als ein Beruhigungsfaktor. Einen gewissen Hoffnungswert für eine Stabilisierung der Wirtschaft bringen die ebenfalls am Montag vom Statistikbüro verbreiteten Wirtschaftsleistungsdaten für Dezember.Trotz der schleichenden Belastung durch eine immer weitere abflachende Erzeugerpreisinflation zeichnet sich im verarbeitenden Gewerbe eine Besserungstendenz ab. Die chinesische Industrieproduktion legte im Dezember um 5,7 % gegenüber Vorjahresmonat zu und scheint wieder Tempo aufzunehmen. Bei den Analysten hatte man indes nur ein Wachstum von 5,3 % auf dem Zettel, was einen weiteren Schwungverlust nach dem im November gezeigten Plus von 5,4 % bedeutet hätte. Müde VerbraucherAls kleiner Lichtblick gilt auch die Stabilisierung an der Konsumfront. Die Einzelhandelsumsätze kletterten mit 8,2 % gegenüber Vormonat etwas stärker als von den Analysten erwartet, hinken aber noch weit dem knapp zweistelligen Wachstum im vorangegangen Jahr hinterher. Hier hat sich eine vom Handelsstreit wesentlich mitbeeinflusste “Lähmung” des Konsumvertrauens eingestellt, die besonders stark auf sogenanntes “big-ticket spending”, also größere Anschaffungen der privaten Haushalte abfärbt und beispielsweise den chinesischen Pkw-Absatz aus dem Tritt gebracht hat. Gleiches gilt für die Nachfrage nach Smartphones und anderen Konsumelektronikartikeln sowie Haushaltseinrichtungen.Bei den jeweils für das ausgelaufene Jahr berechneten chinesischen Anlageinvestitionen zeichnet sich mittlerweile ein stabilerer Trend ab. Sie sind im Jahr 2018 um 5,9 % gegenüber Vorjahr gewachsen, was ebenfalls die schwächste Expansionsrate seit den neunziger Jahren darstellt. Dabei hat sich die 2017 lancierte und mittlerweile etwas zurückgeschraubte Finanzstabilitätskampagne dämpfend auf die Finanzierungstätigkeit der chinesischen Lokalregierungen und Gebietskörperschaften ausgewirkt und das Wachstum der öffentlichen Infrastrukturinvestitionen abgebremst. Hier hat Peking bereits Mitte des vergangenen Jahres neue Hebel in Bewegung gesetzt, um nach einer Neuordnung der Budgetstrukturen auf Lokalregierungsebene Voraussetzungen für eine mit Kommunalanleihen finanzierte Welle von neuen Infrastrukturprojekten zu schaffen. Stimuli in SichtIn Verbindung mit einer Tendenz zur monetären Lockerung, die sich in der Senkung von Mindestreservesätzen und einer äußerst üppigen Liquiditätsversorgung am Geldmarkt manifestiert, sowie einer Reihe anstehender steuerlicher Entlastungsmaßnahmen für Unternehmen und private Haushalte zeigt Peking vermehrt Bereitschaft, der Wirtschaft unter die Arme zu greifen, ohne allerdings die Verschuldungsdämpfungskampagne völlig auszuhebeln. Die Impulse werden zwar in der zweiten Jahreshälfte stärker Wirkung zeigen, dürften dann aber dazu beitragen, dass sich Chinas Wirtschaft im laufenden Jahr nur mäßig entschleunigt, um auf ein Wachstum zwischen 6,1 % und 6,5 % zu kommen.