China droht weitreichende Gegenmaßnahmen im Handelsstreit an
Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtBislang hat die chinesische Führung mit bemerkenswertem Gleichmut auf die handelspolitischen Provokationen von US-Präsident Donald Trump reagiert. Die US-Administration hat Strafzölle auf Importe aus China im Volumen von 200 Mrd. Dollar verhängt. Bald sollen Einfuhren im Volumen von mehr als 300 Mrd. Dollar hinzukommen, womit praktisch der gesamte amerikanisch-chinesische Handelsverkehr betroffen wäre – mit Ausnahme einiger weniger strategisch wichtiger Güter. Mit den Maßnahmen trifft Trump übrigens in erster Linie die amerikanischen Verbraucher, für die die Strafzölle ökonomisch wie eine Verbrauchsteuer wirken.China hat sich hingegen vergleichsweise zurückgehalten. Die als Gegenmaßnahme verhängten chinesischen Strafzölle haben ein wesentlich geringeres Volumen. Sie weisen auch eine strategische Fokussierung auf – wie etwa die Einfuhrabgaben auf die Produkte amerikanischer Farmer, die bei den Präsidentschaftswahlen vorwiegend für Trump gestimmt haben. Dabei steht China vor dem Problem, dass es einfach nicht genügend Güterexporte der USA nach China gibt, als dass China in gleichem Ausmaß zurückschlagen könnte – selbst wenn Peking das wollte.Auch auf den beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen den Vorzeigekonzern Huawei hat die chinesische Regierung mit Zurückhaltung reagiert, um Washington nicht weiter zu reizen. Auch wenn chinesische Konsumenten bereits Apple-Produkte meiden – was für den US-Konzern noch zu einem ernst zu nehmenden Problem werden könnte -, gibt es keinerlei offizielle Drohungen gegen den iPhone-Hersteller. Man fürchtet einerseits die Folgen einer weiteren Verschärfung der Krise, und man hat in Peking andererseits die langfristige und die globale Perspektive im Blick und will sich daher in einem positiveren Licht präsentieren als die USA.Dabei ist die sich mittlerweile recht deutlich abzeichnende Strategie der Trump-Administration für China durchaus gefährlich. In Asien wird bereits breit diskutiert, dass Washington offenbar an einer Entkopplung der beiden Machtsphären und damit der Isolierung Chinas und seiner Verbündeten arbeitet. In der Erkenntnis, dass die USA den Aufstieg Chinas nicht mehr verhindern können und nur begrenzte Einflussfaktoren auf China haben, strebt die Trump-Administration wohl eine Teilung der Welt in einen amerikanischen und einen chinesischen Machtbereich an, die durch auseinanderstrebende Technologien gekennzeichnet sein sollen – darauf zielt der Entzug westlicher Technologien für chinesische Unternehmen ab. Blaupause für die Strategie wäre die Teilung der Welt in der Zeit des ersten Kalten Kriegs. Washington hat auch bereits klar zu erkennen gegeben, dass weitere chinesische Technologiekonzerne das Schicksal Huaweis teilen sollen.Der neue strategische Ansatz der USA beinhaltet, dass Lateinamerika und Europa im US-Machtbereich bleiben – Regionen, die China für seine eigene Expansion als wichtige Märkte erachtet. In Afrika und Asien dürfte es auf einen Wettstreit um jedes einzelne Land hinauslaufen.Sollte sich ein Erfolg der US-Strategie abzeichnen, hätte das für China ernste Folgen. Bedroht wäre letztlich die Perspektive, dass China die USA ab ca. 2030 als führende Weltmacht ablöst – auch im ökonomisch immens wichtigen Bereich der technologischen Standardsetzung. Professor vorgeschicktPeking ist also gezwungen, stärker als bisher zu reagieren. Daher ist es bemerkenswert, dass jetzt in der Regierungszeitung “Global Times” erstmals mögliche weitreichende Gegenmaßnahmen konkreter vorgestellt wurden – wobei aber noch kein staatlicher Vertreter als Autor in Erscheinung tritt, sondern, wie dies in solchen Fällen in Chinas Medien üblich ist, ein Universitätsprofessor. Die Botschaft ist aber klar: China könnte drei Maßnahmen mit weitreichenden Konsequenzen ergreifen, nämlich ein Verbot der Exporte Seltener Erden in die USA, die Unterbindung des chinesischen Marktzugangs für US-Konzerne und drittens als sogenannte “nukleare Option” Verkäufe von US-Treasuries mit dem Ziel der Schädigung der US-Wirtschaft durch eine Anhebung des Zinsniveaus. Letzteres könnte an den Finanzmärkten für schwere Turbulenzen sorgen.Ein Seltene-Erden-Boykott hätte für US-Technologieunternehmen und vor allen auch die Rüstungsindustrie Folgen, da China mit einem Anteil an der gesamten weltweiten Förderung von 78 % und einer Kontrolle von 92 % der globalen Produktion der mit Abstand wichtigste Player auf den Märkten für diese Elemente ist. China verfügt zudem über Reserven an Seltenen Erden von 44 Mill. Tonnen, die USA von lediglich 1,4 Mill. Tonnen. Dass ein solcher Boykott durchaus ernste Folgen hätte, zeigt sich auch daran, dass die USA Seltene Erden von den Strafzöllen ausnehmen und auch bei einer Ausweitung der Zölle auf praktisch alle Warengruppen weiter ausnehmen werden. Zu befürchten ist nicht nur, dass die Preise für die 17 Elemente der Seltenen Erden stark steigen könnten, sondern auch dass die USA bestimmte Substanzen, die insbesondere für hoch spezialisierte Chips der Rüstungsindustrie erforderlich sind, nicht mehr beschaffen könnten. Das würde den Erfolg der geplanten Aufholjagd der US-Rüstungsindustrie gegenüber technologisch fortschrittlicheren Konkurrenten vor allem aus Russland in Schlüsselbereichen wie Raketenabwehr und Hyperschallflugkörper ernsthaft gefährden. Ein solcher Boykott würde längerfristig auch dazu beitragen bzw. die Entwicklung beschleunigen, dass die US-Chipindustrie ihre Führungsposition an China abgeben wird.Was eine Sperrung des chinesischen Marktes für US-Konzerne betrifft, so macht nach Angaben von S&P 500 Indices Asien zwar nur 14 % der Erlöse der Unternehmen im US-Leitindex S&P 500 aus. Allerdings ist China für viele prominente US-Technologieunternehmen der wichtigste Wachstumsmarkt, während in den meisten anderen Absatzregionen Stagnation herrscht. Zudem lassen viele amerikanische Unternehmen nach wie vor in China fertigen, so dass der Verlust des Zugriffs auf diese Produktionskapazitäten die Wettbewerbsfähigkeit vieler US-Konzerne global negativ beeinflussen würde – insbesondere wenn Konkurrenten aus Europa und Asien den Zugriff auf die Fertigungskapazitäten erhielten.Umfangreiche Verkäufe von US-Treasuries durch China, das amerikanische Staatsanleihen im Volumen von mehr als 1 Bill. Dollar hält, wären sicherlich die Maßnahme mit der größten Wirkung – insbesondere dann, wenn sie in einer konjunkturellen Abschwungphase oder einer Baisse am Aktienmarkt erfolgen. Zwar würde China unter einer durch den zu erwartenden Anstieg des Zinsniveaus ausgelösten Rezession sowie durch den festeren Yuan ebenfalls leiden, da die USA der wichtigste chinesische Absatzmarkt sind. Allerdings erscheint die chinesische Wirtschaft nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass der Staatsanteil nach wie vor mehr als 60 % beträgt, robuster als die US-Volkswirtschaft, die bereits jetzt durch die Deindustrialisierung und die Verarmung der Mittelklasse strukturell geschwächt ist. Allerdings würde ein niedrigerer Dollar wiederum die US-Volkswirtschaft stützen, so dass es schwierig wird, eine Gesamtwirkung vorab zu quantifizieren.Die US-Regierung verfügt wiederum über Möglichkeiten zu Gegenmaßnahmen. So gibt es in den USA in Form einer informellen Kooperation von Großbanken auf Geheiß der US-Regierung ein sogenanntes “Plunge Protection Team”, das aber auch in China existiert. Ferner könnte die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) in großem Umfang US-Treasuries kaufen, um den Markt zu stabilisieren. Dennoch würde ein solcher Schritt zu einer Vertrauenskrise der US-Staatsanleihen führen. Schäden gering haltenChina ist aber zweifellos nicht an einer Eskalation interessiert – Peking will lediglich die Trump-Administration von zusätzlichen Maßnahmen abhalten. Denn die USA könnten China schwer schaden mit Maßnahmen wie dem Abhängen chinesischer Banken von den internationalen Zahlungssystemen oder einem totalen Handelsboykott nach dem Vorbild der Strafmaßnahmen gegen den Iran. Da China aber ökonomisch ein anderes Kaliber darstellt als der Iran, wäre der Kollateralschaden solcher Schritte hoch – weshalb China das Schlimmste zu verhindern sucht.