China gibt sich fiskalischen Ruck

Wachstumsziel 2019 nur noch 6,0 bis 6,5 Prozent - Großes Steuerentlastungspaket - Höhere Defizitquote

China gibt sich fiskalischen Ruck

China setzt mit einer groß angelegten Steuersenkung auf fiskalische Impulse zur Stabilisierung der abkühlenden Konjunktur. Mit Blick auf die Unsicherheiten im Handelsstreit mit den USA wird das Wachstumsziel vorsichtiger formuliert. nh Schanghai – China stellt sich auf ein gemäßigteres Wirtschaftswachstum im Jahr 2019 ein. Wie Premierminister Li Keqiang am Dienstag bei der Auftaktsitzung des jährlichen Volkskongresses in Peking erklärte, wird das offizielle Wachstumsziel der Regierung von bislang 6,5 % auf eine Bandbreite zwischen 6,0 und 6,5 % leicht gesenkt.Die von Ökonomen so erwartete Flexibilisierung des Wachstumsziels reflektiert die gedämpften Konjunkturperspektiven der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft, die im vergangenen Jahr noch um 6,6 % zugelegt hatte (siehe Grafik). Für 2019 erwarten die Analysten im Mittel einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von etwa 6,2 %, was die schwächste Wachstumsrate im Reich der Mitte seit fast 30 Jahren bedeuten würde.Li sprach am Dienstag bei der Vorlage des jährlichen Wirtschaftsarbeitsberichts der Regierung von ernsten Herausforderungen für Chinas Volkswirtschaft, betonte aber gleichzeitig, dass die Regierung mit gezielten Stimulierungsmaßnahmen eine Stärkung der Wachstumskräfte bewirken werde. Dazu werde man energischere fiskalische Impulse setzen. Im Zentrum der Bemühungen stehen dabei eine Reihe von weiteren Steuersenkungsmaßnahmen für Firmen, die eine Entlastung in Höhe von etwa 2 Bill. Yuan (rund 250 Mrd. Euro) bringen werden und sich damit auf rund 2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen.Im Rahmen des Steuersenkungspakets soll es zu einer Ermäßigung der Mehrwertsteuer-Spitzensätze von bis zu 3 Prozentpunkten kommen. Für das verarbeitende Gewerbe soll die Mehrwertsteuer von bislang 16 auf 13 % gehen, im Transportgewerbe und der Bauwirtschaft kommt es zu einer Senkung von 10 auf 9 %. Die Maßnahme dürfte vor allem im Industriesektor eine stimulierende Wirkung entfalten und mittelbar zu einer Konsumanregung beitragen. Analysten bei Morgan Stanley beziffern die Anschubwirkung der Mehrwertsteuersenkung auf etwa 0,6 % des BIP oder rund 600 Mrd. Yuan.Mit dem Steuerentlastungspaket wird sich China im laufenden Jahr auch einen etwas großzügigeren Budgetrahmen geben. So soll das Budgetziel der Regierung auf eine von 2,6 auf 2,8 % erhöhte Defizitquote, also das Verhältnis des laufenden Haushaltsdefizits zum BIP, erweitert werden. Damit signalisiert China indirekt auch eine Kehrtwende bei der jüngsten Finanzstabilitätskampagne, die im vergangenen Jahr für eine gedämpfte Kreditausdehnung sorgte und damit eine konjunkturelle Bremswirkung entfaltete. Für ein Anfachen der Anlageinvestitionen plant Peking eine weitere Aufstockung der Spielräume für Bondemissionen von Lokalregierungen und Gebietskörperschaften, die zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten dienen.An der geldpolitischen Front rechnen die Experten mit der Fortsetzung eines diskreten monetären Lockerungskurses mit dem weiteren Senken von Mindestreservesätzen und dem Aufrechterhalten einer üppigen Liquiditätsversorgung am Geldmarkt. Die Regierung belässt das offizielle Inflationsziel für 2019 bei 3 % und signalisiert damit weiteren Spielraum angesichts eines gegenwärtigen Konsumpreisanstiegs von etwa 2 %. Li sprach davon, dass die geldpolitische Linie in diesem Jahr “nicht zu fest und nicht zu locker” sein werde.Eine Senkung der chinesischen Leitzinssätze in diesem Jahr gilt als wenig wahrscheinlich, weil Peking nach einer zuletzt bereits sehr strammen Rally am Aktienmarkt eine Überhitzung und Assetpreis-Blasenbildung befürchtet. Allerdings kann mit einer selektiven Lockerung von Immobilienmarktrestriktionen in chinesischen Großstädten gerechnet werden, um Anlageinvestitionen im Immobilienbereich anzukurbeln. Li jedenfalls hatte zur Überraschung der Beobachter in seinem Arbeitsbericht auf die in den letzten Jahren übliche Formulierung, dass der Immobilienmarkt der Wohnraumbereitstellung und nicht der Häuserspekulation zu dienen habe, verzichtet.Mit der Flexibilisierung des Wachstumsziels nehmen Chinas Wirtschaftsplaner auch Rücksicht auf die noch immer unsichere Situation rund um die Bewältigung des im vergangenen Jahr entbrannten Handelskonflikts zwischen China und den USA. In den zurückliegenden Wochen haben sich die Anzeichen gemehrt, dass der Konflikt mit einer Vereinbarung beigelegt werden kann, die zu einer Rücknahme der von den USA verhängten Strafzölle auf Importe aus China führen dürfte und im Gegenzug China zu weiterführenden Marktöffnungsschritten, einem verbesserten Schutz des geistigen Eigentums und strukturellen Wirtschaftsanpassungen verpflichten soll. Seitens des chinesischen Handelsministeriums hieß es am Dienstag, dass noch große Anstrengungen bevorstehen, um die Handelsvereinbarung bei einem Ende März geplanten Treffen der Präsidenten beider Länder erfolgreich zu beschließen.