China lockert die Geldpolitik

Zentralbank nimmt langfristigen Geldmarktsatz zurück - Düstere Prognosen für das BIP im ersten Quartal

China lockert die Geldpolitik

Chinas Zentralbank zeigt weitere Bereitschaft, mit einer behutsamen Zinslockerung zur Stimulierung der von der Coronakrise schwer angegriffenen chinesischen Wirtschaft beizutragen. Für das erste Quartal rechnen China-Ökonomen im Mittel mit einem herben Wachstumsrückgang um 6,5 %. nh Schanghai – Im Ringen mit der Coronakrise hat Chinas Zentralbank am Mittwoch einen neuerlichen geldpolitischen Lockerungsschritt veranlasst. Der einjährige Refinanzierungssatz für Geschäftsbanken im Rahmen der sogenannten Medium Term Lending Facility (MLF) wird um 20 Basispunkte von 3,15 auf 2,95 % gesenkt. Damit geht diese im Herbst 2014 eingeführte Zinsbench-mark erstmals unter das Niveau von 3 %.Mit der Maßnahme verbindet sich ein Mitteleinschuss über umgerechnet rund 15 Mrd. Dollar (13,7 Mrd. Euro). Begleitend ist am Mittwoch eine bereits Anfang April verkündete Senkung von Mindestreserveverpflichtungen für ausgewählte regionale und kleinere Kreditinstitute in Kraft getreten. Die damit verbundene Mittelfreisetzung beläuft sich auf 28 Mrd. Dollar, so dass sich der gesamte Liquiditätseinschuss durch beide Maßnahmen auf 43 Mrd. Dollar summiert. Kreditzinsen werden folgenAn den chinesischen Börsen zeigte der jüngste Lockerungsimpuls kaum Wirkung, nachdem der Senkungsschritt bei der MLF in dieser Höhe von den Marktteilnehmern erwartet worden war. Die Zinsrücknahme dürfte dazu führen, dass auch die im Sommer 2019 neu eingeführte Benchmark für einjährige Neukreditvergaben Loan Prime Rate (LPR) am kommenden Montag um etwa 20 Basispunkte reduziert wird, um auf eine Verbilligung der Kreditkonditionen für die Unternehmen hinzuwirken. Weiter hohes NiveauBereits Ende März hatte die People’s Bank of China (PBOC) auch den Zinssatz für siebentägige Offenmarktgeschäfte (Reverse Repos) um 20 Basispunkte gesenkt, so dass nun über das gesamte von der Zentralbank direkt beeinflusste Laufzeitspektrum eine Verflachung der Renditekurve bewirkt worden ist. Insgesamt allerdings sind die seit Ausbruch der Coronakrise von der PBOC veranlassten monetären Lockerungsmaßnahmen noch auf der vorsichtigen Seite.Dies gilt umso mehr, als die jetzt geringfügig reduzierte MLF-Zinsrate bei nahe 3 % in Relation zu vergleichbaren monetären Steuerungssätzen in allen anderen führenden Volkswirtschaften noch sehr hoch liegt. Gleiches gilt für die Loan Prime Rate, die in Kürze aller Voraussicht nach von derzeit 4,05 % auf dann etwa 3,85 % abgesenkt werden dürfte. Damit hat Chinas Zentralbank noch einigen Lockerungsspielraum in den kommenden Wochen und Monaten, betonen Analysten.Den nächsten Orientierungspunkt für Stimulierungsbedarf in der chinesischen Wirtschaft werden die am Freitag veröffentlichte Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sowie Leistungsdaten für Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze und Anlageinvestitionen im Monat März abgeben. Die China-Ökonomen rechnen damit, dass die wirtschaftlichen Verwerfungen der Corona-Epidemie für das erste Quartal die schwächste BIP-Performance im Reich der Mitte seit Beginn verlässlicher quartalsweiser statistischer Aufzeichnungen im Jahr 1992 ergeben werden. Krasse AbweichungLaut einer am Mittwoch von der Nachrichtenagentur Reuters veranlassten Umfrage bei China-Watchern ist für das BIP im ersten Quartal im Mittel der Schätzungen mit einem Wachstumsrückgang um 6,5 % zu rechnen. Dies stünde einem unter anderem bereits vom Handelsstreit zwischen China und den USA negativ beeinflussten Wachstum von 6,0 % im Schlussquartal 2019 gegenüber.Dabei weisen die Prognosen für das BIP in den vergangenen drei Monaten allerdings weites Spektrum auf. Während einige chinesische Analysten nur von einem relativ glimpflichen Rückgang der Wachstumsrate auf 4 % ausgehen, rechnen Pessimisten mit einem Einbruch des BIP von bis zu 29 %. Auch für das Gesamtjahr geht das Gros der Experten davon aus, dass die Coronakrise eine erhebliche Wachstumsdelle nach sich ziehen wird. So läuft die Konsensschätzung für das BIP im laufenden Jahr auf ein Wachstum von nur 2,5 % nach 6,1 % 2019 hinaus. Das wäre gar der niedrigste Ausweis seit dem Ende der mit verheerenden wirtschaftlichen Schäden einhergegangenen chinesischen Kulturrevolution im Jahr 1976.