China ringt sich zu partieller Zinslockerung durch
nh Schanghai
Dem wochenlangen Warten auf einen Zinsimpuls, um Chinas schwer angeschlagene Konjunktur zu beleben, ist am Freitag eine Kompromisslösung mit einer auf langfristige Hypothekenkredite beschränkten Geste gefolgt. Im Rahmen der monatlichen Anpassung der als Loan Prime Rate (LPR) bezeichneten Referenzzinssätze chinesischer Geschäftsbanken wurde eher unerwartet die LPR-Benchmark für fünfjährige Hypothekenkredite von 4,6 auf 4,45% gesenkt. Die für Unternehmenskredite maßgebliche einjährige LPR, der man eher einen geldpolitischen Leitzinscharakter zuschreiben kann, blieb allerdings unverändert auf 3,7% stehen.
Das jeweils am 20. eines Monats abgehaltene Fixing der LPR-Raten erfolgt zwar durch eine Gruppe führender chinesischer Geschäftsbanken, um einen marktgesteuerten Zinsbildungsprozess zu signalisieren, unterliegt aber im Wesentlichen den Vorstellungen und der Einflussnahme der chinesischen Notenbank. Nachdem die People’s Bank of China (PBOC) zum Wochenbeginn ihren zentralen Steuerungssatz zur Geldversorgung der Geschäftsbanken im Rahmen der sogenannten einjährigen Medium-Term Lending Facility (MLF) bei 2,8% belassen hatte, war nicht davon auszugehen, dass die einjährige LPR, die sich bislang stets nur parallel zu Veränderungen des MLF-Zinses bewegte, im Mai gesenkt würde. Die Zurückhaltung der PBOC erklärt sich aus dem jüngsten Niedergang der chinesischen Währung Yuan gegenüber dem Dollar wie auch dem bereits seit Monaten anhaltenden Nettokapitalabzug von ausländischen Investoren. Eine Zinssenkung auf Ebene der MLF und der einjährigen LPR droht nämlich im Abgleich mit der Aufwertung des Dollar und einem aggressiveren Zinserhöhungskurs der US-Zentralbank Federal Reserve weiteren Druck auf den Yuan und die Kapitalströme zu generieren. Die fünfjährige LPR hingegen übt wenig Einfluss auf das globale Zinsgefüge und daran geknüpfte Anlegerkalküle aus.
Marktteilnehmer erhoffen sich nun eine Belebung der zuletzt äußerst schwachen Hypothekenkreditvergabe und auch eine Sentimentverbesserung am Wohnimmobilienmarkt. Damit dürften sich auch insgesamt Ankurbelungseffekte für Chinas Wirtschaftswachstum verbinden, urteilen Analysten. Entsprechend sah man am Freitag eine Erholungsbewegung am Aktienmarkt, wobei die Leitindizes für Chinas Festlandbörsen (CSI 300) und für die Hongkonger Börse (Hang Seng Index) um 2% beziehungsweise 3% zulegten.
Marktbeobachter werten die partielle Zinsgeste als ein Signal dafür, dass Chinas Wirtschaftslenker nach monatelanger Zurückhaltung nun doch aktiver eingreifen wollen, um die verheerenden Konjunkturauswirkungen starrer Corona-Restriktionen und Lockdowns unter dem politischen Banner der „Zero Covid Strategy“ zumindest abzumildern. Abgesehen davon machen jüngste Daten zur Immobilienmarktaktivität und Hypothekenkreditvergabe deutlich, dass auf dieser Ebene Handlungsbedarf besteht. So zeigen PBOC-Daten vom Freitag, dass das Volumen der ausstehenden Immobilienkredite zum 31. März nur um 6% zum Vorjahr expandierte. Das ist das schwächste Wachstum seit Beginn regelmäßiger Aufzeichnungen im Jahr 2009. Als alarmierend erweist sich auch die Nachfragesituation am Häusermarkt. Im April fielen die Neuwohnungsverkäufe um 47% zum Vorjahresmonat zurück, während die Durchschnittspreise für Neuwohnungen in Chinas Großstädten bereits seit acht Monaten ununterbrochen nachgeben.