China rückt von starrem Wachstumsziel ab

Volkskongress entscheidet Zukunft der Wirtschaft

China rückt von starrem Wachstumsziel ab

eh Hongkong – China hat Japan 2010 den Rang der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft abgelaufen – und wenn man die Kaufkraft der 1,3 Milliarden Chinesen berücksichtigt, hat die Volksrepublik im Vorjahr sogar den USA den globalen Spitzenplatz abgerungen. Doch ist das mit großen strukturellen Problemen kämpfende Reich der Mitte damit noch lange nicht die mächtigste Wirtschaftsnation der Welt. Das weiß auch die politische Klasse des Landes, die sich ab Donnerstag in Peking für den alljährlich im März stattfindenden Volkskongress trifft. Rund 3 000 AbgeordneteDie Bescheidenheit der Chinesen zeigt sich daran, dass der Sinn des jährlich festgelegten Wachstumsziels für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Frage gestellt wird. Jüngst wurde angekündigt, dass die Wirtschaftsmetropole Schanghai keine offizielle Zielmarke mehr festlegen wird. Grund dafür ist nicht ein im Vergleich zur Situation vor zehn Jahren fast halbiertes Wachstum. Vielmehr soll die Dynamik zukünftig mehr von der Nachfrage der Konsumenten auf dem Binnenmarkt und weniger von Investitionen und den Exporten angetrieben werden.Wenn Premierminister Li Keqiang den rund 3 000 Abgeordneten des Volkskongresses seinen Rechenschaftsbericht über den Stand der Volkswirtschaft ablegen wird, könnte das Schanghai-Modell für ganz China verbindlich erklärt werden. Ein solcher Schritt wäre aber eine radikale Abkehr vom weiter stark planwirtschaftlichen Wirtschaftsmodell. Wahrscheinlicher ist daher, dass Li lediglich eine allmähliche Schwerpunktverlagerung macht und für China ein vages BIP-Ziel festlegt.Mit einer besseren Qualität ist in China etwa die Schaffung einer bürgerfreundlicheren Verwaltung oder mehr Rechtssicherheit für Unternehmer gemeint. Mit der schnelleren Anwendung neuer Technologien und einer weiteren Internationalisierung der Landeswährung Renminbi soll auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden.In den kommenden Tagen werden die Abstimmungen der Abgeordneten – zu denen auch die wichtigsten Unternehmer oder deren nahe Verwandte gehören – meist einstimmig ausfallen. Hinter den Kulissen wird aber seit Monaten hart um einen Konsens gekämpft. Denn von den von langer Hand vorbereiteten Entscheidungen hängt es ab, welche Industrien und Sektoren in den nächsten Jahren auf einem ab- oder aufsteigenden Ast sitzen. Noch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Staat seine Kontrolle über die Banken aufgeben will – doch es soll in diesem Sektor mehr Wettbewerb geben, wie die von der Notenbank bereits beschlossene weitere Liberalisierung der auf Einlagen bezahlten Zinsen zeigt.Klar an Gewicht verlieren dürften die traditionellen Schwerindustrien wie etwa die Stahlkocher, Minenbetreiber, Schiffswerften oder Autobauer, die in den vergangenen Jahrzehnten dank ihres privilegierten Zugangs zu Krediten neben der Bauwirtschaft die großen Wachstumsmotoren waren. Große Staatsunternehmen sollen restrukturiert und profitorientierter gemacht werden.Dagegen gibt es starken Widerstand. Der Kampf von Präsident Xi Jinping gegen die Korruption muss auch in diesem Zusammenhang gesehen werden: In den vergangenen Monaten sind eine ganze Reihe von Lenkern mächtiger Staatskonzerne wegen mutmaßlicher “wirtschaftlicher Verfehlungen” verhaftet worden.