IM BLICKFELD

China setzt auf Marktöffnung statt Währungsabwertung

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 12.4.2018 Um Brandherde an den Finanzmärkten zu löschen, sind beruhigende Worte von Zentralbankern stets ein probates Mittel. Vor dem Hintergrund des grassierenden Handelskonflikts zwischen China und...

China setzt auf Marktöffnung statt Währungsabwertung

Von Norbert Hellmann, Schanghai Um Brandherde an den Finanzmärkten zu löschen, sind beruhigende Worte von Zentralbankern stets ein probates Mittel. Vor dem Hintergrund des grassierenden Handelskonflikts zwischen China und den USA hat Pekings brandneuer Zentralbankchef Yi Gang bei seinem ersten großen Auftritt nach der Ernennung Mitte März die Gelegenheit genutzt, an das Vorbild seines Vorgängers, der chinesischen Zentralbankerlegende Zhou Xiaochuan, anzuknüpfen. Einen Tag nach dem Auftritt von Staatspräsident Xi Jinping auf dem Boao Forum for Asia ist Yi den Befürchtungen entgegengetreten, dass China im Rahmen des laufenden Handelsstreits mit den USA eine bewusste Abschwächung der Landeswährung Yuan gegenüber dem Dollar als Druckmittel einsetzen könnte. Yuan wird nicht zur WaffeAuf dem als asiatisches Pendant zum Davoser Weltwirtschaftsforum geltenden Wirtschaftstreffen in Boao ist die Erleichterung förmlich greifbar gewesen, als der neue Gouverneur der People’s Bank of China (PBOC) klipp und klar machte, dass China keinerlei Interesse daran hat, den Yuan abzuwerten, um auf Handelsspannungen zu reagieren. Die Aussage ist von großer Wichtigkeit, denn es galt den in den letzten Tagen aufgekommenen Medienspekulationen zu begegnen, dass die chinesische Regierung Szenarien mit gezielten Abwertungsschritten des Yuan als eine mögliche Waffe in einem Handelskrieg mit den USA prüft. Dabei würde es einerseits darum gehen, eine möglicherweise mit US-Strafzöllen konfrontierte chinesische Exportwirtschaft zu entlasten, gleichzeitig aber auch eine direkte Auseinandersetzung mit den USA und Präsident Donald Trump auf währungspolitischer Bühne zu führen. Trump hatte China schon zu Zeiten seines Wahlkampfs als “Währungsmanipulator” auf dem Kieker. Im bisherigen Zwist über eine Reduzierung des gewaltigen US-Handelsdefizits mit China und der Verhängung von Strafzöllen aber hat Trump die Währungsthematik als Aufhänger für handelspolitische Sanktionen außen vor gelassen. Dies natürlich auch, weil China nach einer Währungsabwertung im August 2015 und einer anschließenden Schwächephase der Währung ziemlich genau mit dem Antritt des US-Präsidenten zu Jahresbeginn 2017 für eine kontinuierliche Stärkung des Yuan gesorgt hat. Seitdem hat der Yuan knapp 9 % gegenüber dem Dollar zugelegt (siehe Chart). China ist allein vom Timing her gut beraten, in der jetzigen Phase des Handelskonflikts jeglichen Verdacht auf Interesse an einem Abwertungswettlauf zu entschärfen. Damit würde man nämlich nicht nur Trump erneut auf die Palme bringen, sondern auch dem bedächtiger agierenden US-Finanzministerium eine Steilvorlage bieten. Schließlich steht in Kürze der nächste halbjährliche Währungsbericht der US-Treasury an, der sich turnusmäßig der Manipulationsthematik annimmt.So aber sind die Worte des Zentralbankgouverneurs als weitere Entspannungsgeste im Handelskonflikt positiv aufgenommen worden. Nach einer Eskalation der Streitigkeiten in der vergangenen Woche sah man am Dienstag einen Befreiungsschlag, als Präsident Xi auf dem Boao Forum darauf verzichtete, den Handelsstreit mit den USA direkt zu thematisieren, und dafür lieber eine Reihe von Marktöffnungsschritten im Finanzbereich und einigen Industriesektoren, die Verbesserung von Investitionsbedingungen für ausländische Unternehmen und eine Senkung von Importzöllen für Autos in den Raum stellte (vgl. BZ vom 11. April). Trump hat sich postwendend in einer Twitter-Botschaft positiv über Xis Rede geäußert und Versprechen für niedrigere Autozölle und eine fortschreitende Marktöffnung zum Anlass genommen, auf “große gemeinsame Fortschritte” zu hoffen. Wie groß die Fortschritte tatsächlich sein werden, steht auf einem anderen Blatt. Zentralbankchef Yi hat seinen Auftritt dafür genutzt, ein wenig mehr Details zu den bereits im Herbst im Anschluss an einen Staatsbesuch Trumps in Peking verkündeten Öffnungsschritten im Finanzsektor zu geben. Sie sehen vor allem eine Lockerung von Beteiligungsgrenzen ausländischer Finanzdienstleister bei chinesischen Banken, Brokern, Fondsmanagern und Versicherungen vor. Davon versprechen sich insbesondere Wall-Street-Banken und große US-Fondsmanager neue Möglichkeiten, mit einem eigenständigeren Auftritt in China breiter ins Wertpapiergeschäft einzusteigen. Offen blieb bislang allerdings, wann die geplanten Schritte wirksam werden. Hier hat Yi nun durchblicken lassen, dass die neuen Regularien bis Jahresmitte in Kraft treten sollen. Sozusagen als Bonbon verkündete der PBOC-Chef auch, dass die seit 2015 erwogene Handelsverbindung zwischen der Börse in Schanghai und der Londoner Börse bis Jahresende stehen soll. Dies würde es Anlegern auf beiden Seiten erlauben, direkt in chinesische und britische Aktien zu investieren, und gilt vor allem auch als Symbol für eine Kapitalmarktöffnung Chinas. Von wegen “Big Bang”Von einer Finanzsektoröffnung im Stile eines “Big Bang” kann dennoch nicht die Rede sein. Auf einer Paneldiskussion im Rahmen des Boao Forum hat Yi deutlich gemacht, dass er das Wörtchen “Bang” gar nicht verwenden mag, und zwar egal, ob es sich um einen großen oder kleinen Knall handelt: “Ich denke, die chinesische Philosophie läuft eher auf Gradualismus hinaus”, ließ er die Zuhörer wissen. Für die Marktteilnehmer ist dies freilich keine große Überraschung, aber sie werden es sicher zu goutieren wissen, dass Chinas philosophischer Ansatz im Handelsstreit eher auf eine graduelle Marktöffnung denn auf eine graduelle Währungsabwertung hinausläuft.