Chinas E-Commerce-Wunderkind will leiser treten
Von Norbert Hellmann, SchanghaiDer Gründer, Haupteigner und Chairman der chinesischen Onlinehandelsplattform Pinduoduo (PDD), Colin Huang, wird in der chinesischen Entrepreneur- und Start-up-Szene als eine Art Wunderkind gefeiert. Entsprechend stark verwundert ist man nun, dass der Erfolgsunternehmer im zarten Alter von 40 Jahren beschlossen hat, sich nicht länger dem Stress der täglichen Unternehmensführung auszusetzen und es etwas ruhiger angehen zu lassen.Mit einem vor allem auf ein jüngeres Publikum abgestellten E-Commerce-Auftritt ist es Pinduoduo binnen weniger Jahre gelungen, als sogenannte Super-App in die Phalanx der Technologieriesen Alibaba, JD.com und Tencent einzubrechen und den mittlerweile drittgrößten Onlinehandel-Player im Reich der Mitte abzugeben. Der äußerst erfolgreiche Börsengang von Pinduoduo an der US-Technologiebühne Nasdaq vor knapp zwei Jahren hat Huang mit einem Schlag zum gemachten Mann gemacht. Inzwischen kann er sich dank der furiosen Börsenperformance von Pinduoduo zum Kreis der Ultrareichen zählen. Sein Vermögen hat sich von knapp 14 Mrd. Dollar im Sommer 2018 auf zuletzt rund 44 Mrd. Dollar mehr als verdreifacht.Huang hat nun mitgeteilt, dass er den bislang ebenfalls bekleideten Posten des Chief Executive Officer (CEO) der Pinduoduo niederlegt und sich aus der aktiven Geschäftsführung zurückziehen will. Neuer CEO bei Pinduoduo wird allerdings ein enger Weggefährte, nämlich der Mitgründer und Chief Technology Officer des Unternehmens und gelernte EDV-Ingenieur Chen Lei. Der in China weitgehend unbekannte Chen betont nun, dass er vor allem den neueren Geschäftszweigen von Pinduoduo zu kräftigerem Wachstum verhelfen will.Was aber bedeutet das für Huang? Nun wird er sich nicht ganz zurückziehen, sondern als Chairman weiterhin die strategische Planung und Entwicklung der Firmenstruktur mitverantworten und besonderes Augenmerk auf fundamentales Research zur Entwicklung neuer App-Funktionen legen. Gleichzeitig scheint Huang auf den auch in China in Mode gekommenen Philanthropie-Trip aufgesprungen zu sein. Er will sich ähnlich wie der Gründer des Branchentitanen Alibaba, Jack Ma, mit einer Stiftung für wohltätige Zwecke engagieren.Mit Jack Ma verbindet Huang auch die Herkunft. Als Fabrikarbeitersohn stammt er ebenfalls aus eher bescheidenen Verhältnissen und ist in der Tech-Metropole Hangzhou aufgewachsen. Im Gegensatz zu Ma war Huang allerdings bereits früh als begabter Schüler mit besonderen Mathematik-Fähigkeiten aufgefallen und durfte an das Elitegymnasium Hangzhou Foreign Languages School, um alsdann für ein Studium der Computerwissenschaften an der zu Chinas Top-Universitäten zählende Zhejiang University in Hangzhou aufgenommen zu werden. Dem folgte der Gang in die USA mit einem Glanz-und-Gloria-Masterabschluss an der University of Wisconsin, der auch die Talentsucher im Silicon Valley auf ihn aufmerksam werden ließ. Bei Google groß gewordenHuang hatte Angebote von den IT-Riesen Microsoft, IBM und Oracle, entschied sich aber für ein damals noch weitgehend unbekanntes Start-up namens Google, das sich im Jahr 2004 gerade anschickte, eine Suchmaschine auf den Markt zu bringen. Bei Google wurde man schnell auf Huangs Talente aufmerksam und entsandte ihn nach China, um dort einen Google-Suchdienst in chinesischer Sprache aufzuziehen. Dann aber beschloss Huang im Jahr 2007, sein eigenes Ding zu machen, und startete eine erste E-Commerce-Plattform für den Vertrieb von Elektronikgeräten und Mobiltelefonen namens Ouku.com. Drei Jahre später entschloss sich Huang, die ihm zu langweilig gewordene Ouku zu verkaufen, und zog neue Start-ups für Marketingdienste im E-Commerce sowie Onlinespiele auf. Franklin als VorbildIm Alter von 33 Jahren beschloss Huang nach einer schweren Infektionskrankheit, sich vorerst zurückzuziehen und in Ruhe über neue Schritte nachzudenken. Mit seinem Background bei E-Commerce kam dann Anfang 2015 der Blitzgedanke zu einer Onlinehandelsplattform der besonderen Art. Der Erfolg von Pinduoduo gründet sich darauf, dass den Nutzern ein ungezieltes spielerisches Shoppingerlebnis geboten wird, bei dem es zu einer Interaktion mit anderen Teilnehmern kommt, die sich spontan für Gruppenkäufe verbinden können und sich bisweilen Stunden am Tag auf Pinduoduo die Zeit vertreiben.Huang, der sich in China auch als Blogger einen Namen gemacht hat, hinterließ schon vor zwei Jahren einen Hinweis, dass Pinduoduo nicht alles für ihn ist. So spielte er mit dem Gedanken, sich noch einmal “neu zu erfinden”. Dabei sieht er den legendären amerikanischen Alleskönner Benjamin Franklin als großes Vorbild. Der hatte sich just im Alter von 40 Jahren aus dem Geschäftsleben verabschiedet, um neue Horizonte als Wissenschaftler, Erfinder und gar Politiker abzustecken.