Chinas Erholungskurs bröckelt ab
Chinas Erholungskurs bröckelt ab
Wachstum der Industrieproduktion lässt weiter nach – Zentralbank setzt auf leichte Zinssenkung
Neue Wirtschaftsdaten unterstreichen Chinas mäßige Konjunkturperformance im Frühjahr. In der Industrie und bei den Anlageinvestitionen gibt es weitere Schwungverluste, während der Konsumauftrieb hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Zentralbank versucht mit einer leichten Zinssenkung gegenzusteuern.
nh Schanghai
Chinas Zentralbank nimmt erneut unbefriedigende Wirtschaftsleistungsdaten zum Anlass, mit einem Zinssenkungsimpuls auf die schwächelnde Konjunktur einzuwirken. Am Donnerstag wurde der wichtigste Steuerungssatz für die Refinanzierung der Geschäftsbanken mit einjährigen Geldern im Rahmen der Medium-term Lending Facility (MLF) um 10 Basispunkte von 2,75 auf 2,65% gesenkt. Die neue Zuteilung über 237 Mrd. Yuan (rd. 31 Mrd. Euro) löste dabei im Juni fällige Zentralbankkredite über 200 Mrd. Yuan ab.
Marktteilnehmer erfreut
Die Maßnahme stellt insofern keine Überraschung mehr dar, als die People’s Bank of China (PBOC) bereits am Dienstag den Geldmarktzins für siebentätige Repo-Geschäfte um 10 Basispunkte auf 1,9% zurückgenommen hatte. Die Marktresonanz war aber positiv. Der Leitindex CSI 300 an Chinas Festlandbörsen legte am Donnerstag um 1,6% zu, während der Hang Seng in Hongkong um 2,1% anzog. Damit unterstreichen die Marktteilnehmer ihre Erwartung, dass die chinesische Regierung auf eine aktivere Stimulus-Politik umschwenken will. Damit dürften auch weitere monetäre Impulse in Form von behutsamen Zinssenkungsschritten und der Verringerung von Mindestreservequoten anstehen.
Im Frühjahr ist der zunächst verheißungsvoll wirkende Aufschwung der Wirtschaft nach dem Ausstieg aus der Null-Covid-Politik zur Enttäuschung der Marktteilnehmer immer weiter abgeflacht. Dies hat die sogenannte Wiederöffnungsrally am Aktienmarkt abgewürgt und dabei auch den chinesischen Yuan unter Druck gesetzt. Der Datenkranz für den Mai zeigt erneut, dass dem Industriesektor die Dynamik abhandenkommt, während die Wiederbelebung der Konsumkonjunktur hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Zuletzt stieg die Industrieproduktion um 3,5% zum Vormonat, nach dem Plus von 5,6% im Mai. Diese Werte sind allein schon deshalb alarmierend, weil in den Vergleichsmonaten April und Mai des Vorjahres die chinesische Wirtschaft unter dem Eindruck des mehrmonatigen harten Lockdown in Schanghai und anderen Großstädten regelrecht in die Knie gegangen war. Entsprechend hätte man allein aufgrund statistischer Basiseffekte kräftigere Wachstumsraten erwartet.
Schwache Investitionen
Ähnliches gilt für die Einzelhandelsumsätze, die im Mai mit 12,7% zwar sehr kräftig angesprungen sind, aber einer äußerst schwachen Vergleichsbasis unterliegen. Im April waren die Einzelhandelserlöse als wichtige Kennzahl für die Konsumentwicklung um 18,4% in die Höhe geschnellt, hatten damit aber ebenfalls die Erwartungen noch unterzeichnet.
Bei den Anlageinvestitionen ergab sich für Januar bis einschließlich Mai ein Plus von 4,0% im Vorjahresvergleich. Analysten hatten für das sogenannte Fixed Asset Investment mit einer kräftigeren Wachstumsrate von 4,5% gerechnet. In den ersten vier Monaten lag der Anstieg noch bei 4,7%.
Jugend ohne Beschäftigung
Bezeichnenderweise lassen die Investitionen im stark angeschlagenen Immobiliensektor weiter nach. Hier gab es nach den ersten fünf Monaten ein Minus um 7,2% im Jahresvergleich, im April waren es −6,2%. Auch auf Ebene der Preisentwicklung stellt ein Anstieg der Durchschnittspreise für Neuwohnungen um 0,1% gegenüber Vormonat eher eine Enttäuschung dar. Analysten betonen, dass die erhoffte Stabilisierung des Immobilienmarktes weiter auf sich warten lässt. Beim Beschäftigungstrend zeigt sich ein gemischtes Bild. Die auf städtische Gebiete bezogene offizielle Arbeitslosenquote lag im Mai unverändert bei 5,2% und hat sich gegenüber den 5,5% vom Jahresende 2022 etwas verbessert. Dafür allerdings erreicht die Jugendarbeitslosenquote (16 bis 24 Jahre) mit 20,8% nach zuvor 20,4% den höchsten jemals in China verzeichneten Wert.