Chinas Inflation auf der Kriechspur
Chinas Inflation auf der Kriechspur
Verbraucherpreise steigen um 0,2 Prozent – Anzeichen für Konjunkturabkühlung – Leichte Zinslockerung in Sicht
Chinas Konsumpreisindex ist auch im Mai praktisch auf der Stelle getreten. Der extrem niedrige Verbraucherpreisanstieg bei weiter deflationierenden Erzeugerpreisen gilt als Resultat einer zuletzt schleppenden Konjunkturverfassung. Ein geringfügiger Zinslockerungsschritt der Zentralbank gilt nun als sehr wahrscheinlich.
nh Schanghai
Chinas schwächelnde Konjunkturverfassung wird von einer anhaltend geringen Inflationsentwicklung begleitet. Auch im Mai kam der Konsumpreisindex des Pekinger Statistikbüros kaum vom Fleck und verzeichnet einen Anstieg von 0,2% gegenüber dem Vorjahresmonat. Trotz einer Belebung des chinesischen Konsums nach der Aufgabe von Corona-Restriktionen hat sich die Teuerungsrate von 2,1% im Januar sukzessive weiter verringert und war im April auf nur noch 0,1% abgesackt. Bei den Erzeugerpreisen wiederum geht die Reise nach unten weiter. Im Mai ging der Produzentenpreisindex etwas stärker als erwartet um 4,6% zurück.
Die Experten gehen davon aus, dass die Verbraucherpreisentwicklung keine weiteren Tiefen auslotet und Chinas Konsumpreisindex in der zweiten Jahreshälfte auf wieder rund 1% anzieht. Damit bleibt man allerdings deutlich hinter der offiziellen Zielmarke der Regierung bei 3% zurück. Diese wurde auch 2022 mit einer Inflationsrate von 2,1% unterschritten.
Auch wenn keine Deflation der Verbraucherpreise ansteht, gibt die schwerfällige Inflationsentwicklung Anlass zur Vermutung, dass sich die Konjunktur im zurückliegenden Monat abgekühlt hat. Zuletzt hatten Einkaufsmanagerdaten für den Industriesektor sowie ein schwächerer Außenhandel Anzeichen dafür gegeben, dass der Post-Covid-Konjunkturauftrieb bereits wieder zu verpuffen beginnt, anstatt in eine nachhaltige Erholungsphase überzugehen.
An Chinas Finanzmärkten sorgen die enttäuschten Konjunkturhoffnungen für eine nervöse Stimmung und lassen Rufe nach beherzteren Stimuli der chinesischen Regierung und auch monetären Lockerungsgesten laut werden. Zuletzt haben sich einige prominente chinesische Ökonomen, darunter auch der als Regierungsberater fungierende Wirtschaftsprofessor Liu Yuanchun, für Zinssenkungsmaßnahmen ausgesprochen.
Seitens der Zentralbank hat man sich in diesem Jahr bislang vor allem mit Blick auf die relative Schwäche des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar stark zurückgehalten, dürfte nun aber doch in Kürze aktiv werden. So rechnen die Marktteilnehmer damit, dass die People’s Bank of China (PBOC) den Steuerungssatz für einjährige Refinanzierungen der Geschäftsbanken im Rahmen der sogenannten Medium-term Loan Facility (MLF) bei der monatlichen Festlegung am 15. Juni um 10 Basispunkte von 3,15 auf 3,05% senken könnte. Dies wiederum dürfte bedeuten, dass die sehr eng an den MLF-Zinssatz angelehnte chinesische Loan Prime Rate (LPR) als Quasi-Leitzinsen für einjährige Unternehmens- beziehungsweise fünfjährige Hypothekenkredite beim monatlichen Fixing am 20. Juni um 5 bis 10 Basispunkte sinken dürfte.
Als Anzeichen für die Vorbereitung einer solchen geldpolitischen Lockerung gilt die Tatsache, dass eine Reihe von chinesischen Großbanken, darunter der Marktführer ICBC, am Donnerstag ihre Richtsätze für Einlagenzinsen geringfügig gesenkt hatten. So wurden die Zinsen auf Sichteinlagen um 5 Basispunkte, auf zweijährige Termingelder um 10 Basispunkte und drei- bis fünfjährige Spargelder um 15 Basispunkte gesenkt. Mit dieser Maßnahme sorgen die Kreditinstitute dafür, dass ihre seit dem vergangenen Jahr unter Druck stehenden Zinsmargen von einer anstehenden Senkung der LPR-Zinsen nicht weiter geschmälert werden. Darüber hinaus rechnen die Marktteilnehmer damit, dass die Zentralbank ab Juli eine weitere Senkung der Mindestreservesätze für Geschäftsbanken vornimmt. Damit wird auf eine Erweiterung der Kreditvergabespielräume und Liquidität im Bankensektor abgezielt. Im März waren die Mindestreservesätze für chinesische Geschäftsbanken bereits einmal geringfügig um durchschnittlich 0,25 Prozentpunkte zurückgenommen worden.