Chinas Kommunalverschuldung läuft aus dem Ruder
Von Norbert Hellmann, SchanghaiIn der chinesischen Provinz wird der Geldhahn wieder aufgedreht, um mit forcierten öffentlichen Investitionen das Wachstum auf Trab zu halten. Dies dürfte mit einer wachsenden Verschuldungsproblematik auf kommunaler Ebene einhergehen, denn die Dynamik der Einnahmenentwicklung bei den Lokalregierungen lässt eher nach.Das Gros der chinesischen Infrastrukturinvestitionen wird auf Ebene der Gebietskörperschaften abgewickelt und finanziert. Da diese mit wenigen Ausnahmen keine Direktfinanzierung etwa über Anleihemärkte vornehmen dürfen, bedienen sie sich eines undurchsichtigen Netzes von Zweckgesellschaften, die weitgehend über die Bankenschiene flüssig gehalten werden. Auch wenn es derzeit nicht danach aussieht, dass größere Zahlungsausfälle von kommunalen Vehikeln virulent werden, bemängeln Ratingagenturen eine latente Verschlechterung der Bonität im chinesischen Kommunalsektor, die auf die Kreditqualität bei den Banken einwirkt.Auf jeden Fall sieht es nicht danach aus, dass die aus der großen chinesischen Investmentoffensive nach der Finanzkrise herrührende Verschuldungsproblematik auf der Lokalregierungsebene entschärft werden kann. Aus einer Analyse der Fiskalberichte aus den Provinzen seitens der Agentur Moody’s geht hervor, dass die Lokalregierungen im laufenden Jahr mit einem verlangsamten Wachstum ihrer Einnahmen rechnen und sich stärker verschulden wollen, um Infrastrukturinvestitionen zur Unterstützung der von Chinas Regierung forcierten Urbanisierungsinitiative zu stemmen. Intransparente BonitätZwar haben die Fiskaleinnahmen im vergangenen Jahr um solide 16 % zugenommen, in den beiden vorangegangenen Jahren allerdings lag das Wachstum bei gut 29 % beziehungsweise knapp 25 %. Für das laufende Jahr ist mit einer weiter schrumpfenden Einnahmendynamik zu rechnen. Laut Moody’s bedeutet dies, dass die Kommunen verstärkt auf ihre Zweckgesellschaften als Finanzierungsquelle zurückgreifen werden. Befürchtet wird, dass sie bei wachsender Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben weniger Kapazität für Transfers an die Vehikel haben beziehungsweise deren laufende Cash-flows nicht ausreichen, um Bankkredite zu bedienen. Allerdings gibt es keine transparenten Informationen zur Bonitätslage einzelner Gebietskörperschaften.Aus den spärlichen Angaben, die von offizieller Seite zur Kommunalschuldenproblematik gemacht wurden, weiß man, dass der zur Behebung der Finanzkrise verordnete Infrastrukturinvestitionsschub bis Ende 2010 einen Schuldenberg von mindestens 10,7 Bill. Yuan (1,3 Bill. Euro) zurückließ, wobei 8,5 Bill. Euro an ausstehenden Krediten in den Bankbüchern lagen. Nachdem nicht zuletzt aus Angst vor einer Überforderung des Banksektors eine Drosselung der Infrastrukturfinanzierungen verordnet worden war, stieg die Verschuldung der Lokalregierungen laut Regierungsangaben bis Ende 2011 nur um 3 % auf 11 Bill. Yuan.Für den Stand zum Jahresende 2012 gibt es bislang keine offiziellen Angaben. Im Zuge der seit Frühjahr 2012 beobachtbaren Ankurbelung von Infrastrukturinvestitionen rechnen Analysten damit, dass man mittlerweile deutlich über 12 Bill. Yuan liegen dürfte.Da die Infrastrukturvehikel überwiegend mit mittelfristigen Krediten flüssig gehalten werden, Infrastrukturprojekte aber in der Regel eine längere Anlaufzeit brauchen, bis sie Rückflüsse generieren, aus denen Tilgungen bestritten werden können, steht ein großes Fragezeichen hinter der Fähigkeit des Kommunalsektors, seinen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen. Gigantischer Roll-overAus der Aufstellung für 2010 ging damals hervor, dass gut 40 % der Verbindlichkeiten der Lokalregierungen bereits in den Jahren 2011 und 2012 fällig würden. Da dies schlicht nicht zu bewältigen war, wurde hinter den Kulissen eine gigantische Tilgungsstreckung inszeniert, die zu einer Weiterwälzung der Bankkredite führt.Nach Angaben des Chefs der chinesischen Bankenaufsichtsbehörde soll das Volumen der ausstehenden Kredite der Banken im Kommunalsektor zum Jahresende 2012 bei 9,2 Bill. Yuan gelegen haben. Damit hätte es sich binnen der vergangenen zwei Jahre kaum verändert. Analystenberechnungen zufolge dürften den Banken über Zinsendienst und Tilgungen in dieser Zeit rund 1,1 Bill. Yuan zugeflossen sein, bei einer fristgerechten Ablösung der Schulden hätte es aber rund das Vierfache sein müssen.Dass es zu einem gewaltigen Fristenaufschub gekommen ist, überrascht die Sektorexperten keineswegs. Angesichts des Mangels an langfristigen kapitalmarktgestützten Finanzprodukten im noch unterentwickelten chinesischen Finanzsystem ist ein Roll-over von Krediten der einzige gangbare Weg, Ad-hoc-Pleiten von Zweckgesellschaften und den massenhaften Abbruch von noch nicht fertiggestellten Projekten zu vermeiden. Gleichzeitig wird vermieden, dass die Banken mit den Jahresergebnissen 2012 eine Welle von eingetretenen Kreditrisiken zu verarbeiten haben. VerzögerungstaktikDie Stunde der Wahrheit zu Risiken aus dem großen chinesischen Infrastrukturschub hat also noch nicht geschlagen. Die entscheidende Frage aber ist, ob die chinesischen Banken selektiv genug und die Regulatoren streng genug sind, um wie versprochen dafür zu sorgen, dass die Verlängerung von Krediten auf tatsächlich tragfähige Projekte begrenzt wird. Es ist zu befürchten, dass klamme Finanzierungsvehikel neue Kreditmittel erhalten, um den laufenden Zinsendienst zu bestreiten und so einem Offenbarungseid über ihre Zahlungsunfähigkeit zu entgehen. Dies würde auf die Gefahr von noch größeren Kreditverlusten in der Zukunft hindeuten. Aus den bald anstehenden Ergebnisberichten der chinesischen Großbanken wird man dazu allerdings leider nichts erfahren.