Chinas Konjunktur stottert weiterhin

Analysten erwarten für das zweite Quartal nur 1 Prozent Wachstum

Chinas Konjunktur stottert weiterhin

nh Schanghai – Neue Wirtschaftsdaten aus dem Reich der Mitte geben wenig Anlass zur Hoffnung, dass die chinesische Wirtschaft in Sachen Coronapandemie-Folgen bereits aus dem Gröbsten heraus ist. Für das zweite Quartal läuft die Konsensschätzung auf ein mageres Plus von 1,3 % hinaus. Vor allem westliche Ökonomen rechnen mit einer Rezession in der ersten Jahreshälfte.Wie am Montag bekannt gegeben wurde, sind die chinesischen Industriegewinne im März weiter stark eingebrochen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat schrumpften die Profite im verarbeitenden Gewerbe um knapp 35 %. Damit wird eng an das Minus von 38,3 % im Februar angeknüpft (siehe Grafik). Im ersten Quartal gingen die Industriegewinne nunmehr um 36,7 % zurück.Auch erste Frühindikatoren für den April geben noch wenig Anlass zur Hoffnung, dass die chinesische Wirtschaft zu einer sogenannten V-förmigen und damit zügigen Erholung ansetzt. Die Binnennachfrage ist weiterhin schwach, da das Konsum- und Investitionsvertrauen angeknackst ist. Der monatlich ermittelte Business Confidence Index für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verzeichnete zwar von Februar auf März einen kräftig Schub, konnte im April aber nur noch geringfügig zulegen. Dabei zeigt insbesondere der Subindex für Exportaufträge weitere kräftige Rückgänge an. Historischer AbsturzChinas Wirtschaft befindet sich zwar nach dem von der Coronakrise verursachten historischen Absturz des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 6,8 % im ersten Quartal auf dem Erholungsweg, doch sehen Analysten noch einige Hindernisse, die einer raschen Belebung der Wirtschaftsaktivität entgegenstehen. Wie aus einer neuen Reuters-Umfrage unter über 40 China-Ökonomen hervorgeht, weisen die Prognosen für die BIP-Entwicklung im zweiten Quartal eine sehr starke Schwankungsbreite zwischen – 5 % und + 5 % auf. Der Median der Schätzungen läuft auf ein geringfügiges Wachstum im zweiten Quartal von 1,3 % und bei einem Worst-Case-Szenario auf ein Minus von 1 % hinaus. Die neue Erhebung zeigt einmal mehr, dass es eine signifikante Meinungskluft bei der Einschätzung der Perspektiven für die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft zwischen westlichen und heimischen China-Ökonomen gibt. So kommen die optimistischen Prognosen, die bereits für das zweite Quartal einen neuerlichen kräftigen Wachstumsschub vorwegnehmen, ausschließlich von chinesischen Analysten.Einige von ihnen hatten der heimischen Wirtschaft tatsächlich zugetraut, trotz der gewaltigen Verwerfungen durch die Corona-Pandemie auch im ersten Quartal auf eine positive Wachstumsrate von bis zu 4 % zu kommen. Tatsächlich aber ist das BIP in den ersten drei Monaten um 6,8 % geschrumpft und legte damit eine dramatische Abwärtsbewegung hin, nachdem die chinesische Wirtschaft im Schlussquartal des zurückliegenden Jahres noch um 6 % gewachsen war.Während sich chinesische Analysten vor allem darauf kaprizieren, dass es gelingen kann, die Industrieproduktion, das Dienstleistungsgewerbe und auch die Binnennachfrage wieder rasch anzukurbeln, verweisen pessimistischer gestimmte ausländische Ökonomen auf das höchst unsichere Umfeld in Europa und den USA, das die globale Nachfrage nach chinesischen Produkten anhaltend stark dämpfen wird. Einen weiteren Negativfaktor dürfte der dramatische Absturz der Ölpreise darstellen, der zum einen auch die heimische Ölindustrie in Bedrängnis bringt und zudem eine immer stärkere Deflation der chinesischen Produzentenpreise nach sich ziehen dürfte, was die Perspektiven im verarbeitenden Gewerbe tendenziell eintrübt.Auch werden Zweifel laut, dass die weitgehende Aufhebung von Ausgangsbeschränkungen und Geschäftsschließungen im Reich der Mitte eine prompte Wiederaufnahme der Aktivität auf dem gewohnten Niveau nach sich ziehen wird. Nach wie vor zeigt sich eine starke Zurückhaltung der Konsumenten, insbesondere bei größeren Anschaffungen, die mit geringeren verfügbaren Einkommen und unsichereren Beschäftigungsperspektiven zusammenhängen. Vor diesem Hintergrund sehen vor allem westliche Ökonomen Chinas Wirtschaft im zweiten Quartal deutlich schrumpfen und somit auch auf die erste Rezession seit der Zeit der Kulturrevolution unter Mao Tse-tung in den siebziger Jahren zuschlittern. Alles andere als rosigAuch für das Gesamtjahr 2020 sind die Perspektiven alles andere als rosig. Laut der gegenwärtigen Konsensschätzung landet man bei einem Wachstum von noch 1,8 % nach 6,1 % im vergangenen Jahr, das wäre ebenfalls der mit Abstand schlechteste Wert seit Ende der Mao-Zeit. Dabei hat sich die Prognose in den vergangenen Wochen sukzessive verschlechtert. Zur Aprilmitte waren die Ökonomen von einem Plus bei 2,5 % ausgegangen.Noch Anfang März hatte man mit wesentlich geringeren langfristigen Verwerfungen durch die Coronakrise gerechnet und das chinesische Wachstum für 2020 bei im Mittel 5,4 % verortet. Das hätte der Regierung sicherlich erlaubt, erneut ein offizielles Wachstumsziel in einer Größenordnung von rund 6 % in Aussicht zu stellen. Nun aber gehen die Ökonomen davon aus, dass das Wachstumsziel für 2020 nicht über 3 % hinausgehen kann oder aber dass erstmals sogar ganz auf ein Wachstumsziel verzichtet wird.