Chinas neuer geldpolitischer Akzent

Mindestreservesenkung soll beleben - Kapitalabfluss sorgt für Handlungsbedarf

Chinas neuer geldpolitischer Akzent

nh Schanghai – Chinas Zentralbank hat sich im Nachgang zu schwachen Konjunkturindikatoren für den Industrie- und Dienstleistungssektor im Reich der Mitte zu einem monetären Lockerungsimpuls in Form der Zurücknahme von Mindestreservequoten für Geschäftsbanken entschieden. Die am gestrigen Donnerstag in Kraft getretene Maßnahme war – wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt – erwartet worden und traf daher auf eine sehr verhaltene Marktresonanz.Bei den Ökonomen klaffen die Meinungen über die Wirksamkeit des Impulses stark auseinander. Einerseits schafft eine Senkung der Mindestreserveabgabe, im Zuge derer Banken einen prozentualen Anteil ihres Einlagenvolumens bei der Zentralbank “parken”, mehr Spielraum für eine Anregung der Kreditvergabe. Andererseits wird für das Gros der chinesischen Banken zunächst einmal nur eine angespannte Liquiditätssituation gemildert, die von einem untypisch hohen Kapitalabfluss aus China im Zuge veränderter Wechselkurserwartungen herrührt. Gleichzeitig ist im unmittelbaren Vorfeld des chinesischen Neujahrsfestes und landesweiter Ferienpause (die am 18. Februar beginnt) ein stark erhöhter Liquiditätsbedarf im chinesischen Bankensystem gegeben. Dauerhafter MittelschubKonkret hat die People’s Bank of China (PBOC) die Mindestreservequote für das Gros der Geschäftsbanken um 0,5 Prozentpunkte auf 19,5 % gesenkt, für eine Reihe von kommunalen und ländlichen Finanzinstituten wurde der Reservesatz stärker, nämlich um 1 Prozentpunkt zurückgenommen. Analysten veranschlagen den mit der Maßnahme verbundenen Liquiditätsschub auf rund 600 Mrd. Yuan (84 Mrd. Euro).Im Gegensatz zu laufenden kurzfristigen Offenmarktgeschäften der Zentralbank führt die Senkung von Mindestreservekontingenten zu einer quasi dauerhaften Freisetzung von Mitteln, die in den Kreditkreislauf eingeschleust werden können. Theoretisch hat die PBOC hier noch reichlich Spielraum, denn im internationalen Vergleich sind Reservequoten nahe bei 20 % denkbar hoch. In mehreren Ländern wird dieses geldpolitische Instrument nicht mehr verwendet beziehungsweise auf null gestellt und der Kreditkreislauf über eine Zins- und Mengensteuerung am Geldmarkt kontrolliert.In China allerdings erklären sich die hohen Mindestreservesätze aus der Notwendigkeit, das Kreditverhalten der Banken in Boomphasen zu zügeln wie auch aus der jahrelang gewaltigen Akkumulation von Fremdwährungsreserven im Zuge von hohen Kapitalzuflüssen. Der Ankauf der bei den Geschäftsbanken einlaufenden Fremdwährung durch die Zentralbank sorgt für einen üppigen Liquiditätsumlauf im chinesischen Yuan, doch haben sich die Verhältnisse im Zuge der sukzessiven Konjunkturabkühlung in China und dem starken Auftrieb des Dollar geändert.Die PBOC hat seit Herbst mit einer starken Abschmelzung der Fremdwährungsreserven begonnen beziehungsweise mit Interventionen dem starken Verkaufsdruck auf den Yuan entgegengewirkt. Der damit verbundene Liquiditätsentzug im Geldkreislauf wird mit der Mindestreservesenkung nun ein wenig gekontert. Bei Fortschreibung der Situation und einem anhaltenden Kapitalabzug aus China könnten selbst bei einer Stabilisierung der Konjunktur noch serienweise Mindestreservesatzsenkungen folgen.