Investitionsklima

Chinas neues Anti-Spionage-Gesetz schafft Unbehagen

Chinas neues Anti-Spionagegesetz verstört die ausländische Business Community. Unter dem Motto Wahrung der nationalen Sicherheit tut sich neue Rechtsunsicherheit auf.

Chinas neues Anti-Spionage-Gesetz schafft Unbehagen

China verstört mit Spionagegesetz

Gummiparagrafen verunsichern ausländische Unternehmen – Intransparente Rechtslage

nh Schanghai

Die jüngsten Geschäftsklimaumfragen der Handelskammervertretungen ausländischer Unternehmen in China zeigen eindeutig, dass die Dinge nicht zum Besten stehen. Die schwächelnde Konjunktur und Chinas Streit mit den USA belasten. Daraus resultieren wesentlich pessimistischere Einschätzungen zum Geschäftserfolg in China und neue Risikokalküle, die den Investitionselan vor Ort bremsen. In Kürze nun bekommen es die ausländischen Direktinvestoren in China mit einem neuen Gesetz zu tun, das einigen Zündstoff bietet.

Zum 1. Juli tritt ein völlig neu formuliertes Anti-Spionage-Gesetz in Kraft, das den in den Umfragen zum Ausdruck kommenden Klagen über die politische Überformung und wachsenden Rechtsunsicherheiten des Geschäftsauftritts in China neue Nahrung gibt. Es fügt sich in eine Reihe von Gesetzesakten und Verordnungen ein, mit denen Peking dem Thema nationale Sicherheit eine überragende Priorität einräumt und mit neuen Regeln in Sachen Cybersecurity, Datenschutz und Informationskontrolle auf die Geschäftswelt einwirkt. Dabei greift Peking auf die wohletablierte Praxis der Gummiparagrafen mit möglichst schwammig formulierten Begriffsdefinitionen zurück. Dies schafft gewaltigen Spielraum für politische motivierte, aber fadenscheinig juristisch begründete Eingriffe und Strafmaßnahmen.

Kein Wunder, dass das neu gefasste Anti-Spionage-Gesetz die Vertreter ausländischer Unternehmen missmutig stimmt. Erneut werden sie mit Rechtsvorschriften auf höchster Intransparenzstufe konfrontiert, die auch Compliance-Experten ratlos macht. Wie der Präsident der European Union Chamber of Commerce in China, Jens Eskelund, betont, stehen die ausländischen Firmen nun vor einer Reihe von Fragen, die sich nicht vernünftig beantworten lassen, weil der neue Gesetzestext keine brauchbaren Definitionen und Ausführungsbestimmungen liefert. Das Dilemma beginnt mit der Frage, was als ein „Staatsgeheimnis“ gelten kann. Welche Informationen darf man nicht sammeln, besitzen und weitergeben? Wo liegt etwa die Grenze zwischen regulärer Marktforschungsaktivität in einem Sektor und der Preisgabe sensibler Daten mit einem wie auch immer gearteten oder konstruierten Bezug zur nationalen Sicherheit?

Griff zur Schrotflinte

Während in der im vergangenen Jahr vorgelegten ersten Fassung des Gesetzes Spionageaktivitäten vor allem den Umgang mit sogenannten Staatsgeheimnissen betreffen, wird in der Endversion gewissermaßen zur Schrotflinte gegriffen: Ein Spionagevorwurf kann sich künftig auf jegliche „Dokumente, Daten, Materialien oder Sachverhalte mit Bezug zur nationalen Sicherheit“ beziehen. Der Kreis der potenziell Verdächtigen sowie strafbaren Verhaltensweisen wird damit so erheblich ausgeweitet, dass der Willkür kaum noch Grenzen gesetzt sind, heißt es in ersten Rechtseinschätzungen von Beratungsfirmen. Dies findet seine Entsprechung in einer extremen Ausdehnung der Eingriffsmöglichkeiten von Sicherheitskräften. Sie sind qua Gesetz nun dazu ermächtigt, aus einem Verdacht heraus Datenträger, elektronische Geräte und sämtliche Vermögensgegenstände von Individuen wie auch Firmen ohne weitere Begründung zu untersuchen und zu beschlagnahmen.

Die Regeln gelten für Einheimische wie auch Ausländer und können beispielsweise dazu führen, dass man beim Grenzübertritt gebeten wird, Laptop und Handy zu aktivieren, und einer latenten Beschlagnahmungsgefahr unterliegt. Ob Angestellte von ausländischen Firmen oder Geschäftsreisende in der Praxis tatsächlich neue Schikanen erwarten, bleibt dahingestellt. Festhalten kann man allerdings, dass das Gesetz gewaltiges Misstrauen in der ausländischen Business Community erzeugt. Dies setzt einen Kontrapunkt zur in diesem Jahr neu angefachten Charmeoffensive der Regierung gegenüber ausländischen Investoren.

Bei der American Chamber of Commerce beklagt man denn auch „mixed messages“, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sähen. Auf der einen Seite bekommen sie unablässig zu hören, wie hochwillkommen sie im wieder offenen chinesischen Markt sind. Auf der anderen Seite aber werden sie im Namen der nationalen Sicherheit einem Rechtsrahmen unterstellt, dessen Willkürlichkeit einer Stärkung ihres Geschäftsvertrauens und ihrer Investitionsbereitschaft diametral gegenübersteht.

nh Schanghai
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