"Chinas Wachstum liegt wohl unter 6 Prozent"
Auch nach dem Ende des Crashs am Aktienmarkt ist die Situation in China weiter angespannt. Im Interview erläutert Gabriel Stein, Director mit der Zuständigkeit für Asset Management Services bei dem renommierten unabhängigen Beratungsunternehmen Oxford Economics, wie ernst die konjunkturelle Lage dort wirklich ist.- Herr Stein, wie schätzen Sie die gegenwärtige konjunkturelle Lage in China ein, soweit man das anhand der etwas unsicheren Datenlage überhaupt zuverlässig sagen kann?Lassen Sie uns zunächst etwas zu der Datenlage in China sagen. Man muss darauf hinweisen, dass die offiziellen Daten alles sind, über das die Regierung und die Ökonomen verfügen. Es ist keineswegs so, dass Peking über gute, aussagekräftige Daten verfügen würde und den Rest der Welt mit Daten schlechter Qualität abspeist. Die existierenden Daten, so unvollkommen sie sein mögen, sind alles, was zur Verfügung steht. Man kann sagen, dass sich die chinesische Regierung zu einem gewissen Grad im Blindflug befindet.- Es handelt sich also nicht um eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit?Nein, höchstens um so etwas wie eine Selbsttäuschung, die auf einer Reihe von Faktoren basiert. So sind Statistiken aus den Emerging Markets meist von eher schlechter Qualität. Zudem gibt es in China ein ökonomisches Modell, das auf allen Ebenen der Gesellschaft Anreize schafft, falsche Daten zu liefern.Grundsätzlich können wir feststellen, dass die Welt Ende August eine Art Weckruf erhalten hat, als der chinesische Aktienmarkt abstürzte. Seither hat sich die Lage aber wieder stabilisiert. Aus unserer Sicht ist der Absturz des chinesischen Aktienmarktes an sich nicht von großer Bedeutung. Viel wichtiger ist, dass er darauf hindeutet, dass die Finanzmärkte innerhalb und außerhalb Chinas realisiert haben, dass das Wachstum deutlich unter den offiziellen Zahlen von rund 7 % p. a. liegt – und dass es nur wenig gibt, was die Regierung dagegen tun kann.- Ist die Lage in China derzeit bedrohlich, wie mancher Beobachter glaubt?Wir haben uns sehr verschiedene Datensätze aus der chinesischen Wirtschaft angesehen, um hier einen klareren Eindruck zu gewinnen. So befanden sich etwa die Pkw-Verkäufe in China bis zum Anfang dieses Jahres in einem Aufwärtstrend. Dann haben sie jedoch stark nachgelassen. So waren die Zahlen für Juli und August deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Sollte dieser Trend anhalten, werden wir im Dezember oder Januar um 10 bis 20 % unter Vorjahr liegen – wegen des starken Absatzes in den Vergleichsmonaten. Dies sind schlechte Nachrichten. Dann gibt es den sogenannten Li-Keqiang-Indikator, benannt nach dem chinesischen Regierungschef. Als Li Parteichef der Provinz Liaoning war, sah er sich drei Indikatoren an, nämlich Stromverbrauch, Gütertransportvolumen der Eisenbahn und Realkredite. Liaoning ist eine stark industrialisierte Provinz, insofern ist es möglicherweise nicht gerechtfertigt, diese Betrachtung auf ganz China auszudehnen. Tut man es aber dennoch, kommt man zu dem Ergebnis, dass das Wachstum weit unter 7 % liegt. Es könnte sich inzwischen Richtung Nullpunkt bewegen. Andere wichtige Größen sind Geldmenge und Kreditvolumina. So ist das Wachstum der Geldmenge im April mindestens auf ein 29-Jahres-Tief von 9,8 % gefallen, zuverlässige Daten gibt es erst seit 1986. Seither hat das Wachstum der Geldmenge wieder zugenommen, und zwar auf 13 %. Das Wachstum der Kreditvergabe hat sich allerdings verlangsamt und tut dies auch weiterhin. Man kann aber auch feststellen, dass es in China bereits so etwas wie ein “Quantitative Easing” auf niedrigem Niveau gibt.- Wie beurteilen Sie die Reaktion der chinesischen Regierung?Der Hauptgrund, der uns davon überzeugt hat, dass das Wirtschaftswachstum deutlich unter den offiziellen Zahlen liegt, ist die Vielzahl der staatlichen Maßnahmen zur Wachstumsankurbelung, die es seit November vergangenen Jahres gegeben hat. So kam es zu fünf offiziellen Leitzinssenkungen. Wir hatten zudem zwei Reduzierungen der Mindestreservesätze. Es hat auch Umklassifizierungen von bestimmten Bankeinlagen gegeben, so dass diese nicht mehr unter die Mindestreservepflicht fallen, was ebenfalls eine Lockerung der Geldpolitik darstellt. Im August gab es dann die Abwertung der chinesischen Währung an drei aufeinanderfolgenden Tagen – jeweils verbunden mit der Aussage der Notenbank, dass es sich um einmalige Schritte handelt, die nicht wiederholt würden. Es gab die Ankündigung einer Ausweitung der Schwankungsbreite des Yuan, die im Oktober wirksam wird. Wir hatten ferner eine fiskalische Lockerung mit der Ausweitung des geplanten Haushaltsdefizits der Regierung sowie die Senkung der Einfuhrzölle auf Konsumgüter ab Anfang Juni. Es gab noch weitere Maßnahmen wie eine gewisse Deregulierung des Häusermarktes. So werden nun niedrigere Anzahlungen verlangt, wenn man sich ein zweites Haus kauft. Hinzu kommen Deregulierungsschritte hinsichtlich ausländischer Investments in China. Einige Schritte erklären sich sicherlich aus der allgemeinen Tendenz hin zu weniger Regulierung. In der Summe muss man aber feststellen, dass die ganzen Maßnahmen unnötig wären, wenn die chinesische Volkswirtschaft wirklich mit einer Jahresrate von 7 % expandiert. Ich glaube daher, dass das Wachstum im zweiten und dritten Quartal deutlich unter 7 % lag, Chinas Wachstum liegt wohl sogar unter 6 %.- Hat denn die Vielzahl an staatlichen Maßnahmen nicht das Schlimmste verhindert?Ich bin nicht sicher, ob man davon sprechen kann, dass diese Schritte einen Crash verhindert haben. Denn eine weitere Maßnahme, die die Regierung ergriffen hat, ist die Aktivierung des “nationalen Teams”. Darunter versteht man eine Gruppe von institutionellen Investoren, die effektiv durch den Staat kontrolliert werden. Diesen wurde aufgetragen, Aktien zu kaufen und diese Papiere für eine längere Zeit zu halten. Es soll bereits zu Käufen über 200 Mrd. Dollar gekommen sein. Inzwischen hat die chinesische Regierung aber aufgegeben, weil sie gemerkt hat, dass der Markt nicht oder nur mit wesentlich größerem Aufwand zu stoppen ist, wenn er sich nach unten bewegt. Daher glaube ich nicht, dass man davon sprechen kann, dass Peking einen Crash verhindert hat, sondern dass inzwischen schlicht ein Kursniveau erreicht ist, auf dem man von einer faireren Bewertung sprechen kann.- Waren also alle Maßnahmen umsonst?Ich vermute, dass die Maßnahmen auf längere Sicht schon wirksam werden. Die Geldmenge wächst anscheinend schon wieder schneller, während sich aber das Wachstum der Kreditvergabe noch nicht wieder beschleunigt hat. Wenn sich die Kreditaufnahme in den kommenden Monaten wieder belebt, dann wird man in der Tat von längerfristigen Wirkungen insbesondere der geldpolitischen Maßnahmen sprechen können. Was die fiskalpolitischen Schritte betrifft, so konnten wir noch nicht sehen, dass Peking und die lokalen Regierungen Investitionen tätigen, die das Potenzial zu mehr Wirtschaftswachstum kreieren. Dabei gibt es übrigens ein grundsätzliches Problem: Ausgaben des öffentlichen Sektor laufen auf Investitionen hinaus, und China hat bereits jetzt zu viel Investitionen. Was man bereits sagen kann, ist, dass die Chinesen fast alles eingesetzt haben, was sie an Möglichkeiten haben. Zumindest scheint die Lage nicht schlimmer zu werden, was ja auch schon ein Erfolg ist.- Was würde China denn aktuell noch helfen?Hilfreich wäre möglicherweise eine Abwertung der chinesischen Währung. Denn selbst mit der fünfprozentigen Abwertung im August ist wegen der nach wie vor vorhandenen Stärke des Yuan das geldpolitische Umfeld für Unternehmen, Investoren und Konsumenten restriktiver als vor einem Jahr. Im Zusammenhang mit weiteren Abwertungen gibt es aber ökonomische und politische Probleme. So würde die Erwartung, dass China seine Währung langfristig und nachhaltig schwächen will, Reaktionen anderer Länder nach sich ziehen. Wir sehen bereits Reaktionen von Ländern wie Vietnam und Kasachstan. Länder wie Australien und Neuseeland sind ebenfalls stark daran interessiert, ihre Währungen schwach zu halten. Das gilt wohl auch für Japan, Südkorea und Taiwan. Insofern würden die Auswirkungen einer weiteren Abwertung wegen Gegenmaßnahmen anderer Länder begrenzt sein.- Worin liegen die politischen Aspekte?Die Chinesen sind sehr daran interessiert, dass der Renminbi zu einer Weltreservewährung wird. Daher wollen sie, dass die Währung Teil des Währungskorbs für die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird. Um dies zu erreichen, wird China höchstwahrscheinlich die Bindung des Yuan an den Dollar aufgeben müssen. Die Chinesen wissen das. Sie machen sich aber Sorgen, dass starke Fluktuationen des Yuan gegenüber dem Dollar als Währungsmanipulationen angesehen werden könnten, was den IWF zur Zurückhaltung bewegen könnte. Daher hat Peking nach den Ereignissen vom August weitere 200 Mrd. Dollar eingesetzt, um eine weitere Abschwächung des Renminbi zu verhindern. Die Regierung ist also ausgesprochen nervös hinsichtlich derjenigen Maßnahme, die besonders effektiv sein dürfte. Das wiederum bedeutet, dass letztlich die Sektoren im Inland die Last der Anpassung tragen müssen. Damit tut sich ein großer Widerspruch auf: Es ist zwar einfach, alle Beteiligten aufzufordern, mehr zu investieren. Die Reformen in China erfordern aber, dass die Investitionen zurückgefahren werden. Zumindest muss das Wachstumstempo der Investitionen gebremst werden, denn bereits jetzt sind die Renditen der Investitionen grottenschlecht.- Was ist die Folge davon?Wenn sich die chinesische Wirtschaft mehr auf den privaten Konsum stützen soll, dann ist es zumindest notwendig, dass dieser stärker wächst als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das bedeutet aber, dass die anderen Sektoren der Volkswirtschaft wie die Unternehmen mit ihren Investitionen sowie der Staat mit seinen öffentlichen Ausgaben – die auch Investitionen beinhalten – langsamer wachsen müssen. Der Wandel der chinesischen Volkswirtschaft weg von der starken Betonung der Investitionen und des Exports hin zu mehr Konsum bringt also eine Reduzierung des Wachstums mit sich.- Wie wird sich China in den kommenden Monaten entwickeln, und worin sehen Sie für das Land die größten Risiken?Die Volatilität auf dem chinesischen Aktienmarkt wird weiter hoch bleiben, was die Regierung zu weiteren Stützungsmaßnahmen bewegen könnte. Gemäß unserem Hauptszenario wird die chinesische Volkswirtschaft über eine Periode von zwei Jahren wohl um durchschnittlich 5,5 % wachsen. Das – oder vielleicht sogar ein Rückgang auf 5 bis 4,5 % – ist übrigens auch unsere Erwartung für das durchschnittliche Wirtschaftswachstum bis 2020. Das größte Risiko wäre ein weitaus schärferer Konjunktureinbruch, ausgelöst durch einen starken Rückgang und daran anschließend eine Seitwärtsbewegung bei den Investitionen und weiter sinkende Häuserpreise. Wegen der damit verbundenen Schwäche der chinesischen Importe würde das andere Emerging Markets in Mitleidenschaft ziehen, mit der Folge sinkender Asset- und Rohstoffpreise. Einer solchen harten Landung messen wir für die kommenden vier Quartale aber nur eine Wahrscheinlichkeit von 10 % bei. Dies wäre aus unserer Sicht das negativste Szenario für die Weltwirtschaft. In einer solchen Situation sollte man nicht in den Emerging Markets und auch vielen anderen Asset-Klassen investiert sein. Fixed Income wäre dann noch die beste Option – auch wenn die in einer solchen Situation zu erwartenden starken Einbrüche der Aktienmärkte irgendwann für Kaufgelegenheiten sorgen.- Kommen wir zur amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed). Wie wird die Fed bei den von ihr geplanten Zinserhöhungen vorgehen, und was werden die weltweiten Folgen sein?Lassen Sie mich zunächst eins feststellen: Die Fed hätte bereits im vergangenen Jahr die Zinsen erhöhen sollen. Dass sie sich nicht einmal zu einem symbolischen Zinsschritt durchgerungen haben, werden die US-Notenbanker noch bitter bereuen. Ein solcher Schritt hätte deutlich gemacht, dass das gegenwärtige Zinsniveau nicht das “neue Normal” darstellt, sondern dass eine echte Normalisierung angestrebt wird, mit der sich die Märkte abzufinden hätten.Aktuell geht es der amerikanischen Volkswirtschaft mit einem Wachstum von mehr als 3 % gut. Darauf weisen auch Frühindikatoren wie Verbrauchervertrauen, Geschäftserwartungen, Autoabsatz, Häusermarkt, der Trend bei der Industrieproduktion und die Entwicklung der Konsumausgaben hin. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend bis ins nächste Jahr anhält.- Warum hat die Fed in diesem Umfeld nicht die Zinsen erhöht?Die Fed ist wegen der globalen Ereignisse besorgt und auch wegen der Auswirkungen, die Zinserhöhungen auf die US-Volkswirtschaft haben könnten. Dabei ist das Zinsniveau in den USA in realen Größen derzeit leicht negativ. Eine Anhebung um 25 Basispunkte würde das US-Zinsniveau auf einem extrem niedrigen Niveau belassen. Selbst eine Anhebung um einen halben Prozentpunkt würde die reale Fed Funds Rate nur auf ein Niveau von 10 bis 20 Basispunkten (BP) heben. Das würde sicherlich nicht die Stärke der US-Volkswirtschaft beseitigen. Ein Zinsschritt könnte sogar einen positiven Effekt haben, weil erstens die Unsicherheit beseitigt wird und weil der Schritt zweitens als Vertrauensbeweis hinsichtlich der konjunkturellen Lage interpretiert werden könnte. Die Fed müsste die Anhebung mit der Botschaft verbinden, dass es sich um eine gute Nachricht handelt und dass die US-Volkswirtschaft stark genug ist, um die Anhebung zu verkraften.- Wie und wie schnell wird die Fed Ihrer Meinung nach vorgehen?Die Fed wird aller Voraussicht nach sehr langsam und besonnen vorgehen. Wir haben uns an Schritte von jeweils 25 BP gewöhnt. Dabei wird es wahrscheinlich bleiben, auch wenn der erste Schritt aus symbolischen Gründen etwas kleiner ausfallen könnte. Wenn man annimmt – was wir allerdings nicht tun -, dass sich die Inflation in den kommenden zwei Jahren wieder zum Inflationsziel von 2 % hinbewegt, würde das bedeuten, dass die Fed Funds Rate, wenn sie auf ihrem historischen Durchschnittsniveau von real 1,7 % bleibt, bis auf ungefähr 3,7 % gebracht würde. Das würde dann auf 16 Anhebungen um 25 BP hinauslaufen. Wenn es vier Zinsschritte pro Jahr gibt, würde es vier Jahre dauern, um auf dieses Niveau zu kommen. Allerdings wird die Fed Funds Rate diesmal mit hoher Sicherheit ihren Zyklushöhepunkt unterhalb ihres historischen Durchschnitts markieren. Ich glaube, dass der Höhepunkt bei einer realen Fed Funds Rate von unterdurchschnittlichen 1 bis 1,5 % im Jahr 2017 oder 2018 liegen wird.- Was werden die Folgen sein?Eine Folge der Leitzinsanhebungen ist zweifellos ein weiterer Anstieg des Dollar, auch wenn die Zinsschritte bereits zu einem großen Teil eingepreist sind. Mit Kursgewinnen vor allem gegenüber dem Euro ist dann zu rechnen, wenn die Europäische Zentralbank ihr Quantative Easing verlängert beziehungsweise ausweitet. So könnte der Euro bis auf ein Niveau von vielleicht 1,05 Dollar sinken. Zudem werden die Währungen der Emerging-Markets-Länder unter Druck geraten.- Wie werden die Notenbanken der Schwellenländer reagieren?Sie werden Reserven verkaufen, also Dollars und Treasuries. Damit werden sie Liquidität aus ihren eigenen Volkswirtschaften abziehen. Wenn die Zentralbanken ihre eigene Währung kaufen, werden diese Mittel den eigenen Volkswirtschaften vorenthalten. Dies wurde bereits als “Quantitative Tightening” bezeichnet. Ich bin aber nicht ganz sicher, ob ich diese Argumentation für plausibel halten soll. Denn in einem globalen Umfeld, in dem es der US-Volkswirtschaft gut genug geht, dass die Fed die Zinsen anheben kann, in dem aber die Inflation niedrig ist, gibt es für die Regierungen der Emerging-Markets-Länder umfangreiche Anreize, ihre Währungen vor Aufwertungen zu bewahren. Daher ist meiner Meinung nach das Argument nicht besonders stark, dass die Regierungen und Notenbanken der Schwellenländer zu Interventionen zugunsten ihrer Währungen gezwungen werden. Das würde dann stimmen, wenn die Inflation deutlich höher wäre. Bei dem Konzept des “Quantitative Tightening” könnte es sich daher um ein Trugbild handeln, das nicht der Realität entspricht. Vermutlich wären die meisten Regierungen ganz glücklich damit, wenn ihre Währungen abwerten, sofern diese Bewegungen im Rahmen bleiben und nicht über ungefähr 5 % hinausgehen.- Die Ängste von Investoren, dass selbst eine geringfügige Zinsanhebung durch die Fed für starke Reaktionen an den Emerging Markets sorgen könnte, sind also übertrieben?Ja, davon bin ich überzeugt. Probleme könnte es eher innerhalb der USA geben, wenn dort noch zu viele Konsumenten Hypotheken mit variablem Zinssatz laufen haben. Ich denke aber, dass inzwischen der Großteil der US-Konsumenten auf Darlehen mit langlaufenden Festzinsen umgestellt hat.- Könnte die Fed den Konjunkturzyklus abwürgen?Viele Ökonomen sagen, dass US-Konjunkturzyklen nicht an Altersschwäche sterben, sondern stets von der Fed umgebracht werden. Bis es aktuell dazu kommt, wird es aber sicherlich noch einige Jahre dauern. Es gibt übrigens eine große Gefahr angesichts der jüngsten Entwicklungen, der sich die Fed durchaus bewusst ist: Wenn die Märkte quasi ein Vetorecht hinsichtlich der Geldpolitik haben und wenn die Märkte jeden geldpolitischen Schritt angekündigt bekommen müssen, dann gibt man den Marktteilnehmern die Gelegenheit, sich gegen die Notenbankpolitik zu positionieren und die Maßnahmen zu konterkarieren. Dazu sollte es nicht kommen können.- Kommen wir zum Schluss zur Lage in der Eurozone, die sich ja immer noch nicht vollständig von der Finanzkrise erholt hat. Was sind Ihre Erwartungen für die Entwicklung der Eurozone?Ich bin für die Eurozone vorsichtig optimistisch. Die Griechenland-Krise kocht vorerst nur auf Sparflamme. Das Land ist für die EU kein akutes Problem mehr, sondern nur noch ein chronisches – was sich allerdings auch wieder ändern kann. Wenn man sich die verschiedenen Konjunkturindikatoren ansieht, fällt auf, dass diese momentan alle nach oben weisen. Dies gilt vielleicht für Deutschland etwas weniger als für andere Länder, aber auch Deutschland geht es relativ gut. Selbst in Italien verbessert sich die Lage. Frankreich bleibt allerdings 0 ein Problemfall, weil sich das Land in Abwesenheit einer echten Krise nicht um wirkliche Reformen bemüht. Wir glauben, dass sich das Wirtschaftswachstum der Eurozone in den kommenden zwei Jahren oberhalb des langfristigen Trends bewegen wird. Allerdings ist dieses Trendwachstum mit 1 bis 1,25 % ziemlich niedrig. Es bleiben zudem noch die Probleme der hohen Verschuldung einiger Länder oder, wie jetzt in Finnland, das niedrige Produktivitätswachstum. Es bleibt ferner die Frage offen, ob sich der Anstieg der Konsumausgaben, der unter anderem von den niedrigeren Energiekosten angetrieben worden ist, als Strohfeuer erweist. Hinsichtlich der Asset-Allokation von Investoren sind wir auf jeden Fall der Ansicht, dass die Eurozone zusammen mit Japan momentan am attraktivsten ist.—-Das Interview führte Dieter Kuckelkorn.