Chinas Zentralbank muss tiefer in den Instrumentenkasten greifen

Stimulierung spart Leitzinsen aus - Kreditfazilität für Förderbanken setzt diskrete geldpolitische Impulse - Innerchinesische Projekte im Fokus

Chinas Zentralbank muss tiefer in den Instrumentenkasten greifen

Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Konjunkturverlauf ist nicht dergestalt, dass Regierung und Zentralbank in Sachen Wirtschaftsstimulierung die Hände in den Schoß legen können. Gerade an der geldpolitischen Front aber ist die Angelegenheit knifflig. Mit Blick auf eine Konsumpreisinflation von zuletzt 2,1 %, der ein offizielles Inflationsziel der Regierung von 3,5 % gegenübersteht, gibt es sicherlich auf dem Papier Lockerungsspielraum. Andererseits befinden sich die Leitzinsen für Kredite und Einlagen bei gegenwärtig 4,35 und 1,5 % bereits auf einem rekordtiefen Niveau (siehe Grafik). Gleichzeitig machen sich an heimischer wie internationaler Front verstärkt Sorgen über das anziehende Verschuldungsniveau im Unternehmens- und Finanzsektor wie auch bei öffentlichen Haushalten breit. Schleusen offen haltenDie Wirtschaftsdaten im ersten Quartal sprechen in mancher Hinsicht für eine Konjunkturstabilisierung auf Pump, mit der latente Finanzstabilitätsgefahren akzentuiert werden. Nichtsdestoweniger zeigt sich die Zentralbank PBOC bemüht, die Kreditschleusen offen zu halten. Oberste Priorität der chinesischen Regierung in diesem Jahr ist es schließlich, dafür zu sorgen, dass Chinas Wirtschaftsabkühlung nicht weiter voranschreitet und die offizielle Zielmarke für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 6,5 und 7 % eingehalten wird. Geldpolitisches FinetuningIm gegenwärtigen Spannungsfeld gibt es für die Zentralbank ein probates Mittel, den geldpolitischen Transmissionsriemen weiter anzutreiben, ohne mit allzu offensichtlichen und an den Märkten für Aufregung sorgenden Impulsen nach außen zu treten: Sie schafft neue Zentralbankgeld-Fazilitäten für Chinas staatliche Förderkreditinstitute, allen voran die China Development Bank (CDB) sowie die Agricultural Development Bank und die Export-Import Bank. Dies steht im Einklang mit dem von Premierminister Li Keqiang vielbeschworenen “Finetuning” der Wirtschaft und im Kontrast zu Stimulierungsorgien nach der globalen Finanzkrise, die einen Kreditboom mit allerlei hässlichen Nebenwirkungen und Verwerfungen mit sich brachten.So geht die Zentralbank im Auftrag der Regierung verstärkt auf die großen Förderbanken zu, um Stimulierungsschwerpunkte bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten, der Förderung des sozialen Wohnungsbaus in strukturschwachen Gebieten, der Aufpäppelung von Landwirtschaftsbetrieben und der Unterstützung der Exportwirtschaft zu setzen. Wie die PBOC jüngst mitteilte, wird ein auf die Förderbanken zugeschnittenes Kreditprogramm, das unter der Bezeichnung Pledged Supplementary Lending (PSL) läuft, nun mit einem regelmäßigen monatlichen Allokationsrahmen versehen, das für eine laufende Versorgung mit Finanzierungsmitteln bürgt. Bislang mussten die Förderbanken die auslaufende Fazilitäten revolvierend erneuern und konnten dabei auf Engpässe stoßen. Maßgeschneiderte LinienDie PSL-Kreditfazilitäten wurden erstmals im Herbst 2014 als neues Instrument in den Werkzeugkasten der chinesischen Zentralbank aufgenommen. Dabei kommt es zu einer gezielten Bereitstellung von Zentralbankgeld an bestimmte Banken, für das diese Sicherheiten zu hinterlegen haben. Auf Basis der Zentralbanklinien erfolgt dann eine Kreditvergabe mit ermäßigten Konditionen für wirtschaftspolitisch erwünschte Projekte. Beim PSL-Programm geht es nicht um Kleckerbeträge. Ende April hatten sich die ausstehenden Ausreichungen auf einen Betrag von knapp 1,4 Bill. Yuan (rund 195 Mrd. Euro) summiert und dürften nun zügig ausgeweitet werden. Bei chinesischen Analysten wird die Aktion tendenziell begrüßt. Zuletzt hatte man zwar wieder eine kräftigere Neukreditvergabe der Geschäftsbanken gesehen, doch zeigten die jüngsten Ergebnisse im Sektor, dass Banken mit einer immer stärker überbordenden Kreditausfallproblematik konfrontiert sind, die für eine Zügelung ihre Kreditvergabepraktiken spricht. Die Experten gehen davon aus, dass das Kreditvergabetempo im April gedrosselt worden sein dürfte und neue Impulse etwa über das staatliche Förderkreditprogramm vonnöten sind, damit die zuletzt etwas erstarkte Konjunktur nicht sogleich wieder abflaut. CDB als SpeerspitzeWichtigster Nachfrager von PSL-Geldern ist die China Development Bank, die bereits mehr als 1 Bill. Yuan aus der Kreditlinie der Zentralbank beansprucht hat. Während die CDB bislang vor allem mit ihrem breiten Auftritt bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten und der Begleitung von Handelsaktivitäten chinesischer Unternehmen in Schwellenländern in Erscheinung getreten ist, geht es nun vornehmlich um das Anleiern innerchinesischer Finanzierungsprojekte. Mitte 2014 wurde der Wirkungskreis des staatlichen Finanzierungsriesen entsprechend erweitert und umfasst nun auch projektgebundene Finanzierungen im sozialen Wohnungsbau und bei städtischer Infrastruktur. Es gilt, Wohnraum für Chinas Wanderarbeiter zu schaffen, deren Migration vom Land in die Industrie- und Ballungsgebiete einen wichtigen Motor des Wirtschaftswachstums darstellt.Die neuen CDB-Projekte zielen denn auch in erster Linie auf den sozialen Wohnungsbau und die Sanierung von sogenannten “Shantytowns” ab, also verwahrlosten Gebieten mit Barackenwohnungen. Hier bedarf es der Refinanzierung von zum Teil bereits hoch verschuldeten Immobilienentwicklern, für die herkömmliche Banken nicht mehr geradestehen sollen. Explosiver ImmobilienmarktDie PSL-Initiative soll Immobilieninvestitionen anregen, ohne kreditbefeuerte Spekulationswellen loszutreten, die Wohnungspreise durch die Decke gehen lassen. Gerade diesbezüglich machte die Regierung zuletzt wieder schlechte Erfahrungen. Im ersten Quartal sorgten staatliche Anregungsmaßnahmen und Erleichterungen beim Hypothekenkreditzugang zwar für eine Belebung bei den Immobilieninvestitionen, aber eben auch für neue Spekulationsblasen. In Großstädten wie Schanghai und Shenzhen kam es zu einem gewaltigen und unerwünschten Preisschub im Wohnungsmarkt, den es nun wieder mühsam zu dämpfen gilt.