Konjunktur

Chinas Zinsanpassung verblüfft die Märkte

In China findet der jüngste Zinssenkungsschritt der Zentralbank überraschenderweise keinen Niederschlag in der Zinsbenchmark für Hypothekenkredite. Die Märkte rätseln über den Sinn der monetären Lockerung und Pekings Fähigkeit zur Bewältigung der Probleme im Immobiliensektor.

Chinas Zinsanpassung verblüfft die Märkte

China verblüfft mit Zinspolitik

Zinssenkung der Zentralbank färbt nicht auf Hypothekenkredite ab – Geringfügiger Impuls bei Unternehmenskrediten

In China findet der jüngste Zinssenkungsschritt der Zentralbank überraschenderweise keinen Niederschlag in der Zinsbenchmark für Hypothekenkredite. Die Marktteilnehmer rätseln nun erst recht über den Sinn der monetären Lockerung und die Fähigkeit zur Bewältigung der Probleme im Immobiliensektor.  

nh Schanghai

nh Schanghai – Wenige Tage nach einem überraschenden Zinssenkungsschritt der Peoples Bank of China (PBOC) geben die geldpolitischen Weichenstellungen in China den Marktteilnehmern neue Rätsel auf. Trotz des klaren Zinssignals der Zentralbank kam es am Montag nicht zu der erwarteten Übertragung des Impulses auf Ebene der als Loan Prime Rate (LPR) bezeichneten Benchmarkzinsen für Unternehmens- und Hypothekenkredite chinesischer Geschäftsbanken.

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Beim monatlichen Fixing der LPR durch ein Konsortium von Großbanken wurde der Eckzins für fünfjährige Hypothekenkredite entgegen allen Erwartungen unverändert bei 4,2% belassen. Die für Unternehmenskredite maßgebliche LPR in der einjährigen Frist wiederum wurde geringfügiger als erwartet um 10 Basispunkte von 3,55 auf 3,45% nach unten geschleust. Damit erfolgt nur eine partielle Weitergabe des Zinsimpulses der PBOC, die am vergangenen Dienstag ihren wichtigsten Refinanzierungszins für Geschäftsbanken für einjährige Gelder um 15 Basispunkte auf 2,5% senkte.

Während die Zurückhaltung bei der einjährigen LPR noch im Rahmen lagen, gilt der völlige Verzicht auf eine Anpassung der Zinsbenchmark für Realkredite als kapitale Überraschung. Hier war man insbesondere auch mit Blick auf die alarmierende Schwäche des chinesischen Immobilienmarktes und die zuletzt abbröckelnde Nachfrage nach Hypothekenkrediten fest davon ausgegangen, dass die fünfjährige LPR um 15 bis 20 Basispunkte auf bis zu 4% ermäßigt würde.

Gleichschritt durchbrochen

Die LPR-Zinsen werden jeweils um den 20. eines Monats von einem Konsortium aus 18 chinesischen Banken fixiert, werden also nicht von der Zentralbank direkt vorgegeben. Dennoch nimmt die PBOC über sogenannte „Window Guidance“ wesentlichen Einfluss auf die Banken. Bislang sah man eine hautenge Bewegung der einjährigen LPR zum wichtigsten geldpolitischen Steuerungssatz der PBOC, auf dessen Basis sie einjährige Kredite im Rahmen der Medium-term Loan Facility (MLF) zuteilt.

Seit Einführung der LPR-Systematik im Jahr 2018 hat es nur in sehr wenigen Fällen eine Abweichung bei der Veränderung des MLF-Zinses und der nachfolgenden Reaktion der einjährigen LPR gegeben. Die fünfjährige Benchmark klebt zwar nicht ganz so eng an der MLF-Vorgabe, dennoch ist es ein absolutes Novum, dass der Hypothekenzins auf eine als wuchtig angesehene MLF überhaupt nicht reagiert.

Bei den Marktteilnehmern herrscht nun sichtliche Verwirrung über die tatsächlichen Absichten der Pekinger Regierung und der ihr gegenüber weisungsgebundenen Zentralbank, mit monetärer Lockerung auf die derzeit unbefriedigende allgemeine Konjunktursituation und besonders alarmierende Verfassung des Immobilienmarktes Einfluss zu nehmen.

Noch vor einer Woche waren die Experten praktisch einhellig davon ausgegangen, dass die PBOC die Zinsen unverändert lassen würde. Dies beruhte zum einen auf der Ansicht, dass der seit Frühjahr extrem schwach tendierende chinesische Yuan durch eine Zinssenkung noch mehr Boden gegenüber dem Dollar verlieren und ein bereits spürbarer Kapitalabwanderungsdruck erhöht würde. Zum anderen gilt es als fragwürdig, ob sich in einem Umfeld schwacher Binnennachfrage und geringen Investitionsvertrauens mit der Anpassung bereits niedriger Zinskonditionen die Nachfrage nach Unternehmenskrediten stark anregen lässt.

Als die Zentralbank am 15. August bei der monatlichen Zuteilung von MLF-Geldern dann aber doch aktiv wurde und den Zins um 15 Basispunkte zurücknahm, erfolgte dies parallel zur Verbreitung von neuerlich schwachen Konjunkturdaten zur Entwicklung von Produktion, Konsum und Investitionen im Juli. Gleichzeitig waren die Märkte wegen der erneuten Schieflagen von hoch verschuldeten chinesischen Immobilienentwicklern und Nachrichten über Zahlungsausfälle bei Investmentprodukten einer großen Schattenbankgruppe in Wallung geraten.

Ergo wurde der Zinsschritt der PBOC weniger als herkömmliche Konjunkturanregungsmaßnahme, sondern vor allem auch als Konzession an die Immobilienmarktsituation und als ein Versuch der Ankurbelung der Neuwohnungsnachfrage über die Schiene der Hypothekenzinsen verstanden.

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