Chinesische Konjunktur tritt auf der Stelle

Industrieproduktion und Anlageinvestitionen bringen nicht die erwarteten Impulse - Inflation geht zurück

Chinesische Konjunktur tritt auf der Stelle

Von Norbert Hellmann, SchanghaiVom neuesten Wirtschaftsdatenkranz aus China zeigt man sich an den Märkten durchweg enttäuscht. Das Wachstum der Industrieproduktion wurde im Mai leicht gebremst und die Einzelhandelsentwicklung verlief weniger dynamisch als erwartet. Hinzu kommt eine deutlichere Deflation bei den Erzeugerpreisen und ein stagnierender Außenhandel (nebenstehender Bericht). Damit wachsen die Befürchtungen, dass das Wirtschaftswachstum in der zweitgrößten Volkswirtschaft auch im zweiten Quartal über das verhältnismäßig niedrige Tempo der letzten Monate nicht hinauskommt. Vernünftiges TempoDie neue chinesische Regierung versichert, dass die Wirtschaft nach einer Expansion des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von zuletzt 7,7 % auf einen moderateren, aber vernünftigen Wachstumspfad eingeschwenkt ist und keiner staatlichen Stimulierungsoffensiven bedarf. An den Märkten hingegen werden verzweifelt Signale gesucht, die für einen sich selbst tragenden Aufschwung im zweiten Quartal und weiteren Jahresverlauf sprechen. Danach sieht es derzeit freilich nicht aus.Im Mai kam die Industrieproduktion über ein Wachstum von 9,2 % (nach 9,3 % im April) nicht hinaus. Auch der Elektrizitätsoutput als ein wichtiger Nebenindikator für das Aktivitätsniveau spricht mit einem Plus von 4,1 % nach 6,2 % für eine eher verhaltene Dynamik im verarbeitenden Gewerbe.Von den Anlageinvestitionen als wesentlichem Wachstumstreiber gehen derzeit ebenfalls keine belebenden Impulse aus. Für die ersten fünf Monate nennt das nationale Statistikbüro einen Anstieg gegenüber Vorjahr von 20,4 %, was einer leichten Entschleunigung gleichkommt, nachdem Ende April noch 20,6 % Zuwachs ermittelt worden waren. Auch im Immobiliensektor ist die Zuwachsrate mit 20,6 % nach zuvor 21,1 % weiter rückläufig.Die noch relativ robuste Verfassung des Einzelhandelssektors gilt allerdings nicht als Lichtblick. Hier wuchsen die Umsätze im Mai mit 12,9 % nach zuvor 12,8 % nämlich weniger kräftig als erwartet. Für eine Überraschung sorgt der niedrige Auftrieb bei den Konsumpreisen. Eine mäßigere Lebensmittelteuerung lässt den Konsumpreisindex von 2,4 % im April auf 2,1 % im Mai zurückgleiten. Auch hier wurden die Analysten auf falschem Fuß erwischt, nachdem durchweg ein Anstieg der Inflationsrate auf 2,5 % oder mehr prognostiziert worden war. Damit liegt der Preisindex nun komfortabel unter der regierungsseitig abgesteckten Obermarke von 3,5 % in diesem Jahr. Für Unbehagen sorgt hingegen der immer auffälligere Deflationstrend bei den Erzeugerpreisen. Sie sind im Mai um 2,9 % gegenüber Vorjahr gesunken und zeigen nun schon seit 15 Monaten nach unten. Zuletzt haben fallende Rohstoffpreise zu einer Verstärkung des Trends geführt. Vor allem aber wirken sich Überkapazitäten in Sektoren wie Stahl, Zement und Baumaschinen drückend auf die Produzentenpreise aus.Die zahme Inflationsentwicklung gewährt der People’s Bank of China theoretisch mehr Bewegungsspielraum für Lockerungsimpulse und dürfte eine Debatte über möglichen Zinssenkungsbedarf vom Zaun treten. Das Wachstum der Geldmenge M 2 ist im Mai mit 15,8 % nach zuvor 16,2 % zwar etwas gemäßigt, liegt aber noch um einiges über der bei 13 % abgesteckten Komfortgrenze. Einige Analysten halten eine Rücknahme der Leitzinsen in naher Zukunft für möglich. Dies würde allerdings ein Umdenken der gegenüber der Zentralbank weisungsbefugten Regierung voraussetzen. Kürzlich erst hatte Premier Li Keqiang mit Blick auf die Überhitzung des Immobilienmarktes von einem sehr geringen Spielraum für monetäre Gesten gesprochen.