Coeuré blockt Kritik an EZB ab

"Geldpolitik hilft Banken unter dem Strich" - Gestaffelter Einlagenzins im Visier

Coeuré blockt Kritik an EZB ab

ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt sich laut Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré intensiv mit Modellen für einen gestaffelten Einlagenzins auseinander, mit dem nachteilige Effekte eines noch negativeren Einlagenzinses auf die Banken eingedämmt werden könnten. Die Systeme, die in anderen Währungsräumen genutzt werden, würden aktuell “sorgfältig geprüft”, sagte Coeuré gestern beim Finanztag der “Süddeutschen Zeitung”. Zudem widersprach er vehement der Kritik, die EZB-Mini- und -Minuszinsen trügen zu den Problemen im Euroraum bei, weil sie die Banken schwächten. Sorge um FinanzstabilitätMit seinen Aussagen verstärkt Coeuré Spekulationen auf eine weitere Absenkung des Einlagenzinses bei der EZB-Ratssitzung am 10. März – womöglich auch um mehr als jene 10 Basispunkte, die an den Finanzmärkten fest eingepreist sind. Derzeit liegt der Satz bei – 0,3 %. Vor allem Banker, aber auch Ökonomen hatten der EZB zuletzt vorgeworfen, mit einem noch negativeren Einlagenzins würde die Profitabilität der Banken weiter geschwächt, was die Kreditvergabe beeinträchtige und Finanzstabilitätsrisiken berge. Ein negativer Satz stellt eine Art Strafgebühr auf Einlagen der Banken bei der EZB dar.Die Rede Coeurés war mit besonderer Spannung erwartet worden, weil sie die Letzte eines EZB-Oberen war vor der Quiet Period, die heute beginnt. Sieben Tage vor einer Sitzung sollen sich die Währungshüter nicht mehr zur Geldpolitik äußern. EZB-Präsident Mario Draghi hatte angekündigt, dass der EZB-Rat am 10. März den Kurs überprüft und womöglich überdenkt – wegen erhöhter Risiken für Wachstum und Inflation.Coeuré trat mit seiner Rede, die sich sonst um die Zukunft von Europas Finanzsektor drehte, nun einer Hauptsorge hinsichtlich einer weiteren Lockerung entgegen. Er sagte, die EZB sei sich der Risiken negativer Zinsen bewusst. Diese habe sie regelmäßig im Blick, und sie studiere die Modelle anderer Länder. Japan und die Schweiz etwa haben ein mehrstufiges System, bei dem der höchste “Strafzins” nur für einen Teil der Bankeneinlagen gilt. Coeuré sagte, Negativzins und das Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing, QE) seien “komplementär”.Ähnlich wie Coeuré nun hatte jüngst Italiens Notenbankchef Ignazio Visco im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, es gebe “viele Anregungen”, um bei Negativzinsen die negativen Folgen für die Banken einzudämmen – “die müssen wir uns alle anschauen” (vgl. BZ vom 20. Februar). Auch EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio hatte sich danach in diese Richtung geäußert. Bereits vor der Dezember-Sitzung war über ein mehrstufiges System spekuliert worden. Der Vorschlag schaffte damals aber nicht den Weg von den Fachgremien hinein in den EZB-Rat.Entschieden trat Coeuré Vorwürfen entgegen, die EZB-Politik schade den Banken und damit der Wirtschaft. Vielmehr trage sie zu einem verbesserten wirtschaftlichen Ausblick bei, von dem auch die Banken profitierten. Das müsse den “direkten Kosten” gegenübergestellt werden, die sich aus den niedrigeren Zinsmargen ergeben. Die Unsicherheit im Euroraum sei derzeit groß, und das habe “ökonomische Kosten”.Coeuré sagte, die Hauptprobleme der Banken seien derzeit einerseits der hohe Bestand an faulen Krediten und andererseits nötige Korrekturen an den Geschäftsmodellen. Um die Kosten zu senken, plädierte Coeuré für eine Konsolidierung in der Branche, auch grenzüberschreitend. Das sei “eine niedrig hängende Frucht”.Neben einer Senkung des Einlagenzinses spekulieren die Finanzmärkte für nächste Woche auch auf eine QE-Ausweitung. Dazu sagte Coeuré nichts. Er fügte sich damit insgesamt in die zuletzt zurückhaltende Kommunikation der EZB ein. Hintergrund ist die Erfahrung im Dezember: Da hatten sich vor der Sitzung auch aufgrund von Notenbankeraussagen große Erwartungen aufgebaut, die enttäuscht wurden – was zu Marktturbulenzen führte. Deswegen habe man sich nun bewusst für eine vorsichtigere Kommunikation entschieden, heißt es in der EZB. Brief an EU-AbgeordneteEntsprechend hatte auch EZB-Präsident Draghi in einem am Dienstag veröffentlichten Brief an EU-Abgeordnete primär bisherige Aussagen untermauert: “Es gibt keine Grenzen, wie weit wir gewillt sind mit unseren Instrumenten innerhalb unseres Mandats zu gehen.” Frankreichs Notenbank François Villeroy de Galhau sagte gestern vor dem französischen Parlament, zu den möglichen Instrumenten gehörten zielgerichtete Kredite für Geschäftsbanken, weitere Wertpapierkäufe und verbesserte Orientierungshilfen darüber, wie lange die Zinsen niedrig bleiben.