"Comeback Kid" Joe Biden reißt das Ruder herum
Von Peter De Thier, WashingtonSo schnell kann sich in der US-Politik das Blatt wenden. Noch am Wochenende hätte niemand geglaubt, dass der frühere Vizepräsident Joe Biden auch nur den Funken einer Chance haben würde, der Spitzenkandidat der Demokraten zu sein. Mit seiner eindrucksvollen Siegesserie am Super Tuesday ist der Karrierepolitiker aber wieder in aller Munde, und vertraut man dem Buchmachern, die politische Wetten annehmen, dann ist insbesondere nach dem Ausstieg des Multimilliardärs Michael Bloomberg das Duell zwischen Biden und dem amtierenden Präsidenten Donald Trump im Herbst bereits eine ausgemachte Sache. Dass er mit 78 Jahren alle Chancen hat, als Vertreter seiner Partei das höchste Amt im Lande anzustreben, und laut Umfragen die besten Aussichten besitzt, Trump zu schlagen, ist für sich genommen nicht verwunderlich. Schließlich handelt es sich für Biden nach zwei gescheiterten Versuchen um den dritten Anlauf auf die Präsidentschaft – und es kann nach 36 Jahren im Senat und acht Jahren als Stellvertreter von Barack Obama kein Zweifel an seiner Eignung für das Amt des Präsidenten bestehen. Geboren wurde Biden in der Arbeiterstadt Scranton in Pennsylvania, mit seinen Eltern zog er dann als Kind in die Wahlheimat Delaware, wo er nach seinem Jurastudium in den Stadtrat der Kleinstadt Newcastle gewählt wurde. Der ehrgeizige Jurist griff aber nach den Sternen, bewarb sich bald danach für einen Sitz in der oberen Kammer des US-Kongresses und wurde mit nur 30 Jahren als einer der jüngsten Vertreter in der Geschichte in den Senat gewählt. Präsidentschaft früh im Visier Selbst das war dem ambitionierten Senator nicht genug. 1988 und dann 20 Jahre danach warf er seinen Hut in den Ring und kandidierte für die Präsidentschaft. Beide Male scheiterte er aber sehr früh. Gleichwohl bat ihn nach seinem zweiten Anlauf der Senkrechtstarter Barack Obama, als dessen Vizepräsidentschaftskandidat den Kampf mit John McCain und den Republikanern aufzunehmen. Haushoch bezwang das Gespann Obama/Biden den langjährigen republikanischen Senator und dessen designierte Stellvertreterin Sarah Palin, welche viele für eine krasse Fehlbesetzung hielten. Als Vizepräsident nutzte Biden sein bewährtes Verhandlungsgeschick und seine Kompromissbereitschaft, um mit Republikanern im Kongress wichtige Beschlüsse zu schmieden. Nach der Weltrezession war er der Architekt eines milliardenschweren Ausgabenprogramms, das über Infrastrukturinvestitionen half, die Konjunktur wiederzubeleben. Auch setzte er sich mit Erfolg für Steuererleichterungen sowie ein Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm ein, das von beiden Parteien getragen wurde. Den dritten Anlauf auf die Präsidentschaft hätte Biden bereits 2016 unternehmen können, entschied sich aber sowohl aus persönlichen als auch aus pragmatischen Gründen dagegen. Zum einen trauerte der Vizepräsident um seinen kurz zuvor verstorbenen Sohn Beau. Auch hatten Etablierte in der Partei die ehemalige First Lady faktisch als Spitzenkandidatin auserkoren. Dass er es dieses Jahr noch einmal wissen will, liegt vor allem daran, dass Biden den nach seinen Worten “korruptesten Präsidenten in unserer Geschichte” in die Knie zwingen will. Helfen wird dem politisch moderaten Kandidaten, dass er viele derselben Wähler anspricht wie Trump. Dabei will er Wohlhabende höher besteuern, Sozialprogramme ebenso wie die staatliche Krankenversicherung Obamacare ausweiten und sich im Kampf gegen den Klimawandel für erneuerbare Energien einsetzen. Das könnte in Staaten mit einem hohen Anteil von Wechselwählern das Zünglein an der Waage zugunsten der Demokraten sein.