Corona-Lage eint Bund und Länder

Bundesweite Kontaktbeschränkungen ab 2. November beschlossen - Neuinfektionen steigen weiter

Corona-Lage eint Bund und Länder

Die Spitzen von Bund und Ländern haben sich angesichts der ungebremst steigenden Zahl der Corona-Neuinfektionen auf bundesweite Kontaktbeschränkungen für die nächsten vier Wochen verständigt. Den betroffenen Unternehmen will die Bundesregierung mit 10 Mrd. Euro Nothilfe unter die Arme greifen. sp/Reuters Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich mit den Chefs der 16 Bundesländer am Mittwoch auf bundesweit einheitliche Beschränkungen des öffentlichen Lebens in den nächsten vier Wochen geeinigt. “Alle machen mit, das ist für mich eine sehr gute Nachricht”, sagte Merkel nach den mehrstündigen Beratungen, an deren Ende sich die Spitzen von Bund und Ländern auf harte Einschränkungen vor allem für die Gastronomie und die Veranstaltungsbranche sowie für Tourismus, Sport und Kultur geeinigt hatten, die ab dem nächsten Montag für vier Wochen gelten sollen. Heute gibt Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zur Politik der Bundesregierung in der Corona-Pandemie ab. Am Abend steht eine Videoschalte der Regierungschefs der Europäischen Union zur besseren Koordination von Maßnahmen in der EU auf dem Programm.Erst vor zwei Wochen hatten sich Merkel und die Länderchefs in mehr als acht Stunden dauernden Beratungen vor allem mit Blick auf den innerdeutschen Reiseverkehr nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen können. Seither ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Deutschland fast ohne Pause von Rekord zu Rekord geeilt. Am Mittwoch meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) knapp 15 000 Neuinfektionen. Die viel beachtete Sieben-Tage-Inzidenz lag am Dienstag demnach bei 87 neuen Fällen je 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche. Intensivbetten im BlickGemeinsames Ziel aller Maßnahmen sei es, die Kontakte im Alltag so weit zu begrenzen, dass sich das Infektionsgeschehen in Deutschland auf 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen zurückbilde, erinnerte die Kanzlerin. Die aktuelle Dynamik drohe das Gesundheitssystem “binnen Wochen” an seine Grenzen zu führen, mahnte sie. Eine Regierungssprecherin verwies am Mittwoch darauf, dass sich derzeit auch die Zahl der belegten Intensivbetten alle zehn Tage verdoppele. “Wir wollen in keine Gesundheitsnotlage geraten, und dafür müssen wir Maßnahmen ergreifen”, begründete Merkel die gestern beschlossenen Einschränkungen. “Wenn wir warten, bis die Intensivstationen voll sind, ist es zu spät”, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zuvor im SWR gewarnt.Ab Montag gelten deshalb bundesweite Kontaktbeschränkungen. Schließen müssen nun für vier Wochen Theater, Opern, Konzerthäuser, Messen, Kinos, Freizeitparks und Spielhallen. Der Freizeitsport wird im November gestoppt, Sportanlagen und Schwimmbäder müssen ebenso dichtmachen wie Fitnessstudios. Friseure sollen weiter arbeiten dürfen, Nagel- und Tattoostudios dagegen nicht. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physiotherapien, bleiben weiter möglich. Reisen sollen auf ein Minimum reduziert werden.”Wir verordnen eine Vier-Wochen-Therapie. Wir hoffen, dass die Dosis richtig ist”, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und sprach von einem “differenzierten Lockdown”. Berlin Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte, dass Wirtschaft, Handel, Schulen und Kitas aber unbedingt geöffnet bleiben sollten.Merkel äußerte die Hoffnung, dass die Beschränkungen auch vor Gericht Bestand hätten. In den vergangenen Tagen hatten mehrere Gerichte unter anderem Beherbergungsverbote und Sperrstunden in einzelnen Ländern gekippt. Man werde nun Bundestag und Landesparlamente einbeziehen, sagte Merkel, die noch am Abend die Fraktionschefs im Bundestag informierte.Das Gesundheitssystem sei schon jetzt so stark belastet wie im Frühjahr, sagte Berlins Bürgermeister Müller mit Verweis auf eine Einschätzung der Berliner Charité. In vielen EU-Nachbarstaaten wird die Lage sogar als schlimmer beschrieben. Tschechien etwa meldete zuletzt mehr als 15 000 neue Positiv-Tests an einem Tag, und die Zahl der Corona-Toten stieg um 182.Sie glaube, dass die Maßnahmen “verhältnismäßig und vertretbar” seien, sagte Merkel zur Kritik von Ärztevertretern und Wirtschaftsverbänden. Angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen hoffe sie, dass die politische Akzeptanz für die Einschränkungen größer sei als noch vor zwei Wochen.