Corona-Pandemie zwingt Türkei in die Knie
Reuters Istanbul – Wegbleibende Touristen, schwach ausgelastete Industrie: Die Coronakrise hat für einen historischen Konjunktureinbruch in der Türkei gesorgt. Das Bruttoinlandsprodukt fiel von April bis Juni um 11,0 % zum Vorquartal, wie das Statistikamt am Montag mitteilte. Damit traf die Pandemie das lange Zeit boomende Schwellenland stärker als die deutsche Wirtschaft, die um 9,7 % schrumpfte. “Wir wussten, dass wir die Folgen der katastrophalen Jahrhundert-Pandemie spüren werden”, sagte Finanzminister Berat Albayrak. Dennoch stehe sein Land verglichen mit anderen noch recht gut da, da die Wirtschaft auf einer “robusten, dynamischen und starken” Grundlage stehe.Ein Grund für den Absturz der Wirtschaft ist der darniederliegende Tourismus: In den ersten sieben Monaten 2020 kamen nur 5,4 Millionen ausländische Gäste, ein Einbruch von 78 % zum Vorjahreszeitraum. Viele Länder – darunter auch Deutschland – hatten angesichts hoher Corona-Infektionen vor Reisen in die Türkei gewarnt. Der Dienstleistungssektor – zu dem die Tourismusbranche gehört – brach deshalb um ein Viertel ein. Auch die Industrie schrumpfte, da wegen der Rezession bei wichtigen Handelspartnern viele Aufträge ausblieben und zudem Lieferketten gestört wurden. Dagegen wuchs der Finanzsektor im zurückliegenden Quartal um 28 %. Von Reuters befragte Ökonomen sagen für das Gesamtjahr 2020 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 4 % voraus. Ein Minus gab es zuletzt im Jahr der Finanzkrise 2009. Schwere WährungskriseDer Türkei macht zugleich eine schwere Währungskrise zu schaffen. Eine hohe Inflation, negative Realzinsen, geschröpfte Devisenreserven und die steigende Nachfrage der Türken nach anderen Währungen sorgten für eine kräftige Abwertung der Lira, die in den vergangenen Wochen auf immer neue Rekordtiefs zu Dollar und Euro fiel. Um die Währung attraktiver zu machen, könnte die Zentralbank die Leitzinsen erhöhen. Dem steht allerdings Präsident Recep Tayyip Erdogan im Wege. Dieser hat sich wiederholt als “Zinsfeind” bezeichnet. Trotz der Talfahrt der Lira beließ die Zentralbank ihren Leitzins zuletzt bei 8,25 %. Zuvor hatte sie den Zinssatz in einem fast ein Jahr lang währenden Lockerungszyklus von 24 % auf den aktuellen Satz heruntergeschraubt. Damit soll die Konjunktur im Land angekurbelt werden.