Coronakrise in Europa spitzt sich zu

Fälle in Deutschland legen stark zu- Paris und London machen dicht - Conte schließt Lockdown nicht aus

Coronakrise in Europa spitzt sich zu

Die Corona-Pandemie nimmt in Europa Fahrt auf. Deutschland, Italien, Österreich und Tschechien melden rekordhohe Neuinfektionen. In Paris und London gelten neue Ausgangsbeschränkungen. In Italien wird ein Lockdown nicht mehr ausgeschlossen. Berlin diskutiert immer noch über den Bund-Länder-Gipfel. sp Berlin – Europa droht zum zweiten Mal den Wettlauf gegen eine unkontrollierte Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verlieren. Am Donnerstag meldeten unter anderem Deutschland, Italien, Österreich und Tschechien rekordhohe Neuinfektionszahlen. Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte schloss angesichts der jüngsten Entwicklung des Infektionsgeschehens einen neuerlichen Lockdown nicht mehr aus. Der französische Präsident Emmanuel Macron verfügte bereits am Mittwochabend in einigen besonders betroffenen Metropolen Ausgangsbeschränkungen für die Nachtstunden und auch der britische Premierminister Boris Johnson kündigte neue Beschränkungen für die Hauptstadt London an.Anders als im Frühjahr, als Deutschland früh gegensteuerte und das Infektionsgeschehen schneller als die meisten europäischen Nachbarn in den Griff bekam, wächst auch in Berlin fast stündlich die Sorge, dass die Pandemie sich unkontrolliert ausbreiten könnte, was nicht nur das Gesundheitssystem auf eine Belastungsprobe stellen würde. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstag, dass die Positivtests in den vorangegangenen 24 Stunden um 1 500 auf das Allzeithoch von 6 683 gestiegen sind.Die Maßnahmen, die Bund und Länder am Mittwochabend nach acht Stunden dauernden Gesprächen im Kanzleramt verabredeten, konnten die Sorgen vor einer exponentiellen Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus nicht eindämmen. Der an den Verhandlungen beteiligte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) räumte am Donnerstag ein, dass die Maßnahmen eine zweite Pandemiewelle nicht abwenden könnten. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) appellierte an die Bevölkerung, sich an Masken- und Abstandsregeln zu halten. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina forderte strengere Maßnahmen.Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Mittwochabend zwar schärfere Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie vereinbart, waren dabei aber hinter den Vorstellungen des Kanzleramts zurückgeblieben: Ein lokales Eingreifen wird nun schon ab 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche empfohlen, etwa durch eine erweiterte Maskenpflicht, Sperrstunden für die Gastronomie und weniger Teilnehmern an privaten Feiern. Verbindlich verabredet sind die Maßnahmen aber erst ab einer Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen, die in Deutschland vielerorts überschritten wird. Dort werden etwa private Feiern auf zehn Teilnehmer beschränkt. Wenn der Anstieg der Infektionszahlen nicht binnen zehn Tagen gestoppt werde, drohten weitere Beschränkungen.Keine gemeinsame Linie fanden Bund und Länder bei den uneinheitlichen Beschränkungen für innerdeutsche Urlaube. Sie sollen zunächst bis 8. November weiter gelten. Schleswig-Holstein und Niedersachsen halten daran fest, dass Urlauber aus Risikogebieten nur bei Nachweis eines negativen Coronatests in Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen beherbergt werden. Beherbergungsverbot gekipptIn Baden-Württemberg kippte der Verwaltungsgerichtshof das Beherbergungsverbot mit sofortiger Wirkung. Es greife in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Freizügigkeit ein und sei daher voraussichtlich verfassungswidrig, erklärte das Gericht (Az. 1 S 3156/20). Auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht setzte das Beherbergungsverbot vorläufig außer Vollzug und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte an, das Urteil aus Baden-Württemberg zu prüfen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, sein Land habe bereits vor der Gerichtsentscheidung entschieden, das Beherbergungsverbot ab Samstag aufzuheben. Rheinland-Pfalz will das Beherbergungsverbot weiterhin nicht umsetzen.