Coronakrise treibt implizite Staatsschuld

Raffelhüschen rät zur baldigen Tilgung

Coronakrise treibt implizite Staatsschuld

wf Berlin – Die Coronakrise setzt der Staatsverschuldung erheblich zu. Nach dem massiven Wirtschaftseinbruch ist die fiskalische Nachhaltigkeitslücke aus expliziten und impliziten Staatsschulden um 125,1 Prozentpunkte auf 345,0 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen. Dies zeigt die neue deutsche Generationenbilanz der Stiftung Marktwirtschaft. “Will man die Belastung zukünftiger Generationen durch die Coronakrise abmildern, muss man möglichst bald mit der Tilgung der nun auflaufenden expliziten Schulden beginnen, vor allem aber das Anwachsen der versteckten Staatsschulden dämpfen”, mahnt Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der Stiftung und Chef des Forschungszentrums Generationenverträge der Universität Freiburg, vor der Presse in Berlin. “Das wird eine – ökonomisch und politisch – schwer zu stemmende Aufgabe, die Politiker zukünftig dazu zwingt, den Sozialstaat generationengerechter umzugestalten.”Die fiskalischen Lasten werden vor allem die zukünftigen Generationen zu tragen haben, unterstrich Raffelhüschen. In absoluten Zahlen entspricht die Nachhaltigkeitslücke einem Gesamtschuldenstand der öffentlichen Hand von 11,9 Bill. Euro. Der deutlich größere Teil von 9,8 Bill. Euro entfällt auf den impliziten Teil. Die expliziten Staatsschulden sind sichtbare Schulden. Die impliziten Schulden umfassen nicht sichtbare und nicht durch Steuern und Abgaben gedeckte künftige staatliche Leistungsversprechen, vor allem auch die der Sozialversicherungen. Die Wissenschaftler berechnen zudem verschiedene Varianten: In einem negativen Szenario mit einem starken Rückgang des BIP von 9,3 % in diesem Jahr und nur allmählicher Erholung in den Folgejahren könnte die Nachhaltigkeitslücke sogar auf 514,0 % des BIP ansteigen, zeigte Raffelhüschen auf. Bei einer schnelleren Erholung der Wirtschaft in den kommenden Monaten würde sie immerhin noch auf 284,7 % des BIP steigen. Riesige Nachhaltigkeitslücke Die explosionsartige Vergrößerung der Nachhaltigkeitslücke ist vor allem auf die staatlichen Hilfen in der Coronakrise zurückzuführen, aber nicht nur. Ohne den Wirtschaftseinbruch sowie die Nothilfe- und Konjunkturprogramme wäre die Nachhaltigkeitslücke nur um 15,8 Prozentpunkte auf 235,7 % des BIP gestiegen. Raffelhüschen stellte zudem die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen infrage: Exemplarisch nannte er die “unsystematische Erhöhung” des Kurzarbeitergeldes, die Aussetzung der Bedürftigkeitsprüfung in der Grundsicherung oder “fragwürdige unternehmerische Staatsbeteiligungen”. Fatal sei auch die Entscheidung aus dem Jahr 2018, den Nachholfaktor in der gesetzlichen Rentenversicherung bis mindestens 2025 auszusetzen. Dies entkoppele dauerhaft Renten und Löhne. “Die ökonomischen Belastungen der Beschäftigten infolge von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und stagnierenden Löhnen in diesem Jahr werden die Rentner nie zu spüren bekommen”, kritisiert der Ökonom.