Das Ansteckungsrisiko in der Eurozone steigt
lz Frankfurt – Von den ersten Schockmomenten unmittelbar nach dem Brexit-Votum konnten sich die Finanzakteure zwischenzeitlich zwar wieder erholen, die Verunsicherung und die Sorge über die Entwicklung bestimmen ihr Handeln aber nach wie vor: Der Euro-Break-up-Index hat sich auf 20,3 Punkte zurückgebildet, dafür nimmt das Ansteckungsrisiko im Währungsraum zu. Es markiert mit 36,4 Punkten ein Niveau wie zuletzt im Sommer 2014. Die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Eurozone ist also noch nicht gewichen, warnt Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner auf der Basis der neuen Umfrage seines Hauses unter gut 1 000 Investoren. In der Umfrage haben Anleger die Möglichkeit, bis zu drei Länder zu nennen, mit deren Euro-Austritt sie innerhalb der nächsten zwölf Monate rechnen. Neue HöchstständeDer aktuelle Wert des Sentix-Euro-Break-up-Index bedeutet insofern, dass zurzeit ein Fünftel der befragten Anleger mit dem Ausscheiden mindestens eines Landes aus der Eurozone innerhalb der nächsten zwölf Monate rechnet. Seinen vorläufigen Höchststand hatte der Sentix EBI bei einem Wert von 73 % im Juli 2012 erreicht. Sein Minimum stammt mit 7,6 % aus dem Juli 2014.Während der Gesamtindex sich etwas beruhigt hat, das Ansteckungsrisiko dafür aber steigt, sorgen Allzeithöchststände bei einigen Länderindizes nun für zusätzliche Sorgen. Noch nie seit dem Beginn dieser Umfrage im Mai 2012 lag der Wert etwa für Italien auf dem gegenwärtig hohen Niveau: Immerhin 7 % der befragten Anleger rechnen mit dem Ausscheiden der EU-Gründungsnation. Grund dafür dürfte die Debatte über die Schieflage einiger italienischer Banken sein, was auch ein Schlaglicht auf die Politik in Rom und den Umgang der EU-Länder untereinander wirft. Auch der Index für Finnland liegt mit knapp 6 % etwa auf dem Niveau von 2012. Die Anleger fürchten offenbar, dass mit dem Brexit-Votum nationalistische Strömungen neue Nahrung bekommen und die Austrittsdebatte schüren. Einen solchen Prozess kann man in den Niederlanden ebenfalls beobachten. Die hohen Werte vom Juni sind aber wieder gesunken. EZB verzerrt KurseDie Verunsicherung der Anleger ist auch deswegen so groß, weil der Anstieg einzelner Länderindizes im krassen Missverhältnis steht zu den Renditeunterschieden (“Spreads”) zu deutschen Staatsanleihen. Grund dafür sind die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB), weshalb sich die wahren Risiken, die über die Spreads eigentlich eingepreist werden, nicht in den Bondkursen widerspiegeln. “Ohne die schützende Hand der EZB wären deutlich höhere Renditeaufschläge etwa bei italienischen Staatsanleihen erforderlich”, warnt Hübner. Das wirft auch grundsätzliche Fragen auf. “Der Bondmarkt hat seine Signalfunktion in erheblichem Maße eingebüßt, seitdem die EZB ihre Bondmarktaktivitäten betreibt”, kritisiert er. Es bestehe die Gefahr, dass die Marktteilnehmer sich über die manipulierten Marktpreise in Sicherheit wähnen und die Risiken dramatisch unterschätzen. Umso mehr gelte es, “auf unabhängige Umfragen wie Sentix zu achten, welche die Gefährlichkeit der EZB-Aktionen herausstellen”.