IM INTERVIEW: PETER BOFINGER

"Das Beispiel Japan ist interessant"

Der Wirtschaftsweise rät der EZB zur Einhaltung eines Renditeziels beim Exit aus der lockeren Geldpolitik

"Das Beispiel Japan ist interessant"

Marktteilnehmer rechnen am heutigen Donnerstag von der EZB mit weiteren Signalen für den bevorstehenden Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik. Wegen möglicher Überreaktionen an den Märkten hält der Finanzwissenschaftler und Wirtschaftsweise Peter Bofinger für den Ausstiegsprozess einen Wechsel der geldpolitischen Vorgehensweise für notwendig.- Herr Bofinger, auch wenn die Preisdaten derzeit eher in die falsche Richtung zeigen, muss sich die EZB wegen der nahenden Volumengrenze bei den Anleihekäufen irgendwann aus der ultraexpansiven Geldpolitik herausschleichen. Wie groß ist die Gefahr, dass die Märkte überreagieren?Die Reaktionen der Märkte sind immer schwer prognostizierbar. Aber wir wissen, dass Märkte häufig überreagieren. Schon jetzt sind die Renditen deutlich gestiegen, obwohl die EZB noch keinerlei konkrete Ankündigungen gemacht hat.- Welche Risiken würde die EZB eingehen, wenn sie den Ausstieg verschleppt und zu spät einleitet?Ich halte die Risiken eines verspäteten Ausstiegs für geringer als die eines zu frühen. Zudem sehen wir im Euroraum derzeit keinerlei Anzeichen einer konjunkturellen Überhitzung oder auch von Fehlentwicklungen im Finanzsystem. Die Bankkredite an Unternehmen und Privatpersonen steigen mit einer Jahresrate von gerade einmal knapp 2 %. Selbst in Deutschland rechnet niemand damit, dass es 2018 zu einem stärkeren Preisauftrieb kommen wird.- Wie starr sind eigentlich die Volumenbegrenzung bei den Anleihekäufen und der Kapitalschlüssel?Ich habe es immer für problematisch gehalten, dass die EZB sich in das Korsett eines vorgegebenen Mengenziels für die Anleihekäufe begeben hat. Worauf es ankommt, ist vielmehr ein niedriger langfristiger Zins, und das hängt entscheidend von den Erwartungen der Marktteilnehmer ab. Wir haben seit Ankündigung des Anleihekaufprogramms gesehen, dass es bei konstanten Ankaufvolumina zu ausgeprägten Schwankungen bei den Renditen kommen kann.- Die US-Notenbank hat den Exit bereits umgesetzt und nimmt die Stimulierung nach und nach zurück. Nach ersten Irritationen scheint sich der Markt daran gewöhnt zu haben. Ein Vorbild für die EZB?Bei den US-Anleihen war der Rückgang der Renditen bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie beispielsweise bei den Bundesanleihen. Das Potenzial nach oben ist also im Euroraum deutlich höher, und deshalb sollte man sehr vorsichtig beim Ausstieg sein.- Anders geht die japanische Notenbank vor: kein expliziter Ausstieg, aber eine Orientierung am langfristigen Zins. Was könnte die EZB daraus lernen? Würde dadurch ein sanfterer Exit möglich?Ich halte das Beispiel Japans für sehr interessant. Mit der sogenannten “Yield Curve Control” versucht die Notenbank, den langfristigen Zins direkt zu steuern. Für die Marktteilnehmer bringt eine solche Strategie sehr viel mehr Sicherheit als die Ankündigung von Mengenzielen.- Inwiefern?Für die Investoren kommt es ja am Ende immer darauf an, wo die Kurse oder Renditen liegen werden. Das ist bei Volumenzielen sehr viel weniger gut abschätzbar als bei einem Renditeziel.- Wie könnte die EZB ein solches Vorhaben umsetzen? An welchen Parametern müsste sie sich orientieren?Die EZB könnte etwa ankündigen, dass sie ab 2018 keine festen Mengenziele mehr verfolgt. Stattdessen zielt sie mit Anleihekäufen darauf ab, dass ein mit den Kapitalanteilen an der EZB gewogener Durchschnittszinssatz für langfristige Anleihen der Euro-Mitgliedstaaten, der derzeit bei etwas mehr als 1 % liegt, bis zum Jahresende 2018 nicht über die 2-Prozent-Marke steigen darf. Durch die Orientierung an einem gewogenen Durchschnitt wird zudem vermieden, dass diese Strategie einzelne Mitgliedstaaten begünstigt.- Letztendlich läuft es aber auf das Gleiche hinaus: Anleihekäufe. Das ist vielleicht zu vergleichen mit dem Wechsel von einem Mengen- zum Zinstender. Was macht Sie so sicher, dass die Marktteilnehmer dem besser folgen – man mit weniger Anleihekäufen zurechtkommt, der Wirkungsgrad dieser Strategie also höher ist?Der Unterschied zwischen Mengen- und Zinstender war immer nur gradueller Natur. Im Grunde war der Zinstender ein Festzinstender (Mengentender) mit einer sehr begrenzten Marge für Bietungsprozesse. Ich glaube, dass der Ausstieg für die EZB sehr viel weniger riskant ist, wenn sie ihn mit einem Renditeziel absichert, und dass sie ihn so früher und beherzter angehen kann als ohne eine solche Absicherung.- Wie groß sind die Chancen, dass auf diesem Weg mit weniger beziehungsweise sogar sinkenden Anleihekäufen die gleiche Wirkung zu erzielen ist wie bei der bisherigen Volumenmethode?Wenn die Strategie glaubhaft ist, dürfte die EZB durch die Reaktionen der Marktteilnehmer auch ohne größere Käufe zum gewünschten Ergebnis kommen.—-Die Fragen stellte Stephan Lorz.