Geldpolitik

„Das durchschnittliche Inflationsziel ist tot“

Der US-Ökonom und Harvard Professor Benjamin M. Friedman stellt bei einer Veranstaltung der Bundesbank das Inflationsziel der Notenbanken infrage – gleich aus mehreren Gründen.

„Das durchschnittliche Inflationsziel ist tot“

„Das durchschnittliche Inflationsziel ist tot“

US-Ökonom Friedman stellt Teuerungsziel der Notenbanken in Frage – Diskussion um Nutzen von Forward Guidance

mpi/ms Frankfurt

Angesichts der weltweit hartnäckig hohen Inflation hatten zuletzt einige Ökonomen eine Anpassung oder gar Abschaffung des Inflationsziels der Notenbanken gefordert, das meist bei 2% liegt. Diesen Forderungen schließt sich der US-Ökonom und Professor für politische Ökonomie an der Harvard University, Benjamin M. Friedman, an. „Das durchschnittliche Inflationsziel ist tot“, sagte der 79-Jährige in einem Vortrag bei einer Veranstaltung der Bundesbank am Freitag in Frankfurt.

Da die Inflation in den USA seit längerem weit über dem Durchschnittsziel der Fed liege, müsste die Teuerung in der Zukunft weit darunter liegen oder sich gar im negativen Bereich befinden – also eine Deflation –, um dies auszugleichen. Dies sei sicherlich nicht im Interesse der Notenbanker, meinte Friedman. Auch die Höhe von 2% stellte Friedman in Frage. „Der Mangel an ernsthaften Studien, die ein solches Ziel unterstützen, ist beschämend“, sagte er. Und selbst wenn 2% früher die richtige Höhe für das Ziel einer Notenbank gewesen sei, dann sei dies inzwischen nicht mehr der Fall aufgrund sich ändernder Wirtschaftsstrukturen.

Daher stellte Friedman die Frage in den Raum, ob nicht demnächst eine gute Zeit wäre, um die Inflationsziele der Notenbanken zu überdenken. Wenn die Teuerung unter 3% gefallen ist und die Zentralbanken feststellen, dass ein weiteres Sinken nur unter Inkaufnahme eines deutlichen Wirtschaftsabschwungs möglich sei, dann ist laut Friedman eine gute Gelegenheit gekommen, um das Inflationsziel anzuheben.

„Viele sagen, dass es schwierig werden könnte, die Inflation von 3% auf 2% zu senken. Ich bin mir da nicht so sicher”, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel bei der Diskussionsrunde im Anschluss an Friedmans Vortrag. Die Datenlage sei aber eindeutig, dass sich der Arbeitsmarkt anders als bei früheren Phasen deutlicher Zinserhöhungen dieses Mal nicht abkühle. Insofern unterscheide sich der aktuelle Zinszyklus von früheren. Zu einer möglichen mittelfristigen Anpassung des Inflationsziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2% äußerte sich Nagel bei der Veranstaltung nicht.

Diskutiert wurde auch über den Nutzen der Forward Guidance, also Signalen an die Öffentlichkeit, wie der künftige geldpolitische Kurs einer Notenbank aussehen könnte. Laut Friedman würden Daten zeigen, dass die Volatilität an den Finanzmärkten durch Forward Guidance nicht geringer, sondern höher wird. „Manchmal ist konstruktive Mehrdeutigkeit besser als Forward Guidance“, meint Nagel. „Ich würde aber niemals sagen, dass Forward Guidance für die Eurozone tot ist.“

Auch andernorts ging die Debatte über den EZB-Zinskurs weiter. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte in einem Interview mit der französischen Regionalzeitung „La Provence“, dass die Notenbank nicht zögern werde zu handeln, falls die Gewinnmargen der Unternehmen und die Löhne der Arbeitnehmer gleichzeitig steigen sollten. Das liest sich wie eine verschärfte Warnung in Richtung Unternehmen. Die EZB sieht es als nötig an, dass die Unternehmen nach dem zuletzt starken Anstieg der Margen nun einen Teil der für Arbeitnehmer nötigen Lohnerhöhungen über ihre Margen auffangen.

EZB-Vizepräsident Luis de Guindos nährte derweil am Freitag ein wenig die Zuversicht in Sachen Inflation. Zwar bleibe der zugrundeliegende Preisdruck weiter stark, doch die meisten Indikatoren hätten begonnen, ein Nachlassen anzuzeigen, sagte er in London.

Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras schloss am Freitag eine weitere Zinserhöhung der EZB im September nicht aus. „Im Juli werden wir mehr oder weniger eine Erhöhung um 25 Basispunkte haben, aber für den September bin ich agnostisch, vielleicht, vielleicht auch nicht“, sagte er in Athen. Stournaras gilt eher als „Taube“ im EZB-Rat, also als ein Verfechter einer eher lockereren Geldpolitik. Zuletzt hatten vor allem die Hardliner („Falken“) im EZB-Rat mit einer weiteren Zinserhöhung im September geliebäugelt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.