NOTIERT IN PARIS

Das Ende einer Karriere

Nach den Attentaten, bei denen in Paris Anfang Januar 17 Menschen getötet wurden, bestimmen derzeit spektakuläre Prozesse die Schlagzeilen in Frankreich. In Bordeaux beispielsweise geht es um Betrug, Bestechung und Erbschleicherei, um bekannte...

Das Ende einer Karriere

Nach den Attentaten, bei denen in Paris Anfang Januar 17 Menschen getötet wurden, bestimmen derzeit spektakuläre Prozesse die Schlagzeilen in Frankreich. In Bordeaux beispielsweise geht es um Betrug, Bestechung und Erbschleicherei, um bekannte Künstler, Anwälte, Finanzberater, Politiker und nicht zuletzt um eine greise Milliardenerbin. Insgesamt zehn Angeklagte müssen sich vor Gericht im Zusammenhang mit der sogenannten Bettencourt-Affäre verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, die geistige Schwäche der 92-jährigen L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt ausgenutzt zu haben, um von ihrem Geld zu profitieren. In Grasse bei Nizza wiederum geht es seit Dienstag um die Frage, ob Pablo Picasso einem ehemaligen Elektriker und seiner Frau insgesamt 271 Bilder überlassen hat oder ob das Rentnerpaar die Kunstwerke gestohlen hat.Doch es ist ein Prozess, der letzte Woche im nordfranzösischen Lille begann, der für das größte Aufsehen sorgt. Denn dort muss sich neben 13 weiteren Angeklagten auch ein Mann verantworten, der einst als eine der größten politischen Hoffnungen Frankreichs galt, als einer der mächtigsten Menschen der Welt: der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) Dominique Strauss-Kahn. Der heute 65-Jährige musste 2011 nach Vergewaltigungsvorwürfen von seinem Amt zurücktreten. Bis dahin hatte er als aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat der Sozialisten gegolten. In der sogenannten “Carlton-Affäre” wird DSK, wie der frühere Wirtschaftsminister in seiner Heimat genannt wird, und seinen Mitangeklagten organisierte Zuhälterei vorgeworfen.Er soll zwischen März 2008 und Oktober 2011 der Prostitution von sieben Frauen Vorschub geleistet und ausschweifende Sex-Partys in Frankreich sowie Washington organisiert haben. Ihm drohen dafür bis zu zehn Jahre Gefängnis und 1,5 Mill. Euro Strafe, sollte er der schweren Zuhälterei für schuldig befunden werden. Die Verteidigung des Absolventen der Wirtschaftshochschule HEC wirft der Justiz vor, es gehe in dem Prozess nicht um Recht, sondern um Moral. Die Staatsanwaltschaft Lille hatte für die Einstellung des Verfahrens gegen Strauss-Kahn plädiert, doch die Untersuchungsrichter hatten sich darüber hinweggesetzt.Immer mal wieder machen in Frankreich Verschwörungstheorien die Runde, dass die Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy 2011 die Ermittlungen in der Carlton-Affäre angestoßen habe, um den gefährlichsten Konkurrenten des konservativen Staatsoberhauptes bei den Präsidentschaftswahlen 2012 aus dem Weg zu haben.In Paris war es ein mehr oder weniger offenes Geheimnis, dass DSK regelmäßiger Gast in Swinger-Clubs war. Der 65-Jährige beteuert nun vor Gericht, er habe nicht gewusst, dass es sich bei den Frauen um Prostituierte gehandelt habe. Er habe sie für Gäste der Partys gehalten, an denen er ebenfalls als Gast teilgenommen habe. Er habe solche Abende jedoch keinesfalls organisiert. “Ich hatte nicht die Zeit, irgendeinen Abend zu organisieren”, sagte er. Prostituierte seien nicht sein Geschmack und entsprächen auch nicht seinen Vorstellungen von sexuellen Beziehungen. Eine der früheren Prostituierten, die als Zeugin in dem Prozess aussagte, warf Strauss-Kahn jedoch vor, er habe sie zu brutalen Sex-Praktiken gezwungen. Dies hätte er mit Sicherheit nicht getan, wenn er sie für einen ganz normalen Gast einer Party gehalten hätte.Der ehemalige IWF-Chef verlor am Mittwoch angesichts der wiederholten Nachfragen der Richter seine Geduld. “Ich fange an, genug zu haben”, schnaubte er. “Meine sexuellen Praktiken, egal ob man sie mag oder nicht, gehen das Gericht nichts an.”Egal wie das Urteil am Ende ausfallen wird, die politische Karriere von Strauss-Kahn scheint dauerhaft zerstört. Der Ökonom ist seit 2012 als Berater tätig und sitzt im Aufsichtsrat einer russischen Bank zur Förderung der Regionen sowie im Aufsichtsrat des russischen Fonds für Direktinvestitionen. Im September 2013 gründete er zusammen mit dem französisch-israelischen Geschäftsmann Thierry Leyne einen Investmentfonds in Luxemburg. Im Oktober distanzierte sich DSK indes von Leyne, der ihm verschiedene Geschäftsinformationen vorenthalten haben soll. Leyne brachte sich wenige Tage später um.