Von Andreas Hippin, LondonFalls es noch eines Beweises dafür bedurfte, dass Großbritannien auch nach dem überwältigenden Wahlsieg Boris Johnsons ein tief gespaltenes Land ist: Die Debatte darüber, ob Big Ben am 31. Januar den Brexit einläuten darf, hat ihn geliefert. Das große “Big Ben Brexit Bong Ding Dong”, wie pfiffige Wortschmiede den Streit tauften, wird wohl erst am Morgen des 1. Februar zu Ende sein. Die seit 2017 laufenden Renovierungsarbeiten waren zwar kein Hindernis dafür, dass die Glocke des 96 Meter hohen Elizabeth Tower am Remembrance Day im November oder zu Beginn des neuen Jahrzehnts erschallte. Geht es allerdings um ein so bedeutendes Ereignis wie den Austritt aus der EU, der die Zukunft des Landes auf Jahrzehnte hinaus prägen wird, macht die Verwaltung des Parlaments Kostenbedenken geltend. Die elf Glockenschläge würden mit 500 000 Pfund zu Buche schlagen. Die Summe ist nicht zuletzt deshalb so absurd hoch, weil eine für Sylvester installierte Plattform wieder abgebaut wurde, obwohl der EU-Austrittstermin allgemein bekannt gewesen sein dürfte. Johnsons Ansatz, die Bürger zu Spenden für das Geläut aufzurufen, kam ebenfalls schlecht an. Es kam zwar eine Menge Geld zusammen, doch die Verwaltung äußerte Zweifel, ob sie solche Spenden annehmen dürfe. Und von Johnson war noch nicht viel dazu zu hören, wie die Regierung den Austritt begehen will. Das dürfte daran liegen, dass er sich als Premierminister vorgenommen hat, Brexit-Gegner und Befürworter zu versöhnen.Der ehemalige Ukip-Führer Nigel Farage plant dagegen, vor dem Parlament in Westminster die Party aller Partys zu feiern. Mehr als 12 000 Menschen haben sich bereits um Tickets bemüht. Die Veranstaltung von “Leave Means Leave” wurde zwar genehmigt, das Feuerwerk, das von einem öffentlichen Gebäude aus gezündet werden sollte, dagegen nicht. Royal Parks verwies auf nistende Vögel im St. James’s Park. Wollte man von einem Schiff aus böllern, müsste die Themse gesperrt werden. Es dürfte ein eher leises Fest werden. Mit Szenen wie in Nazideutschland, wie sie der liberaldemokratische Oberhausabgeordnete Tony Greaves zum Austrittstag fürchtete, ist nicht zu rechnen. Aber Richard Tice von der Brexit Party kündigte an, zur Not um 11:00 Uhr eben eine Aufnahme der Glocke von Big Ben abzuspielen.——Darf Big Ben den Brexit einläuten? Der Streit darüber zeigt, wie tief das Land gespalten ist.——