Das Konzerthaus-Fiasko
Von Carsten Steevens, HamburgEs ist ein Dokument des Schreckens, das nichts mehr übrig lässt vom Bild hanseatischer Zurückhaltung: Ein neuer Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Hamburger Elbphilharmonie, der jetzt rund einen Monat vor der eigentlich geplanten Vorlage an die Öffentlichkeit gelangte, beschreibt auf 724 Seiten die verheerende Verkettung aus dilettantischer Projektplanung, überhasteter Bauvergabe, Überforderung des städtischen Bauträgers sowie mangelnder Projektkontrolle und benennt erstmals die Verantwortlichen für das Desaster. Für ein Desaster, das nach dem heutigen Stand der Dinge neben einer achtjährigen Verzögerung des Projektes – das Konzerthaus soll 2017 seine Pforten öffnen – zu einer Verzehnfachung der Kosten für den Steuerzahler auf 800 Mill. Euro führen wird.Der Bericht – eine zweite, geraffte Version nach einem ersten Entwurf im Herbst vorigen Jahres – beschreibt, wie der Bauauftrag für den Prestigebau, der nach anfänglichen Vorstellungen größtenteils durch einen privaten Investor finanziert werden sollte, 2006 vergeben wurde, noch ehe sämtliche Bauleistungen fixiert waren. Er beschreibt, wie die städtische Projekt-Realisierungsgesellschaft nach der Weigerung des zweiten Bieters Strabag, ein verbindliches Angebot abzugeben, mit einem Konsortium um den Essener Baukonzern Hochtief ungeachtet der Warnungen beteiligter Architekten vor weiteren Kostenrisiken den Bauvertrag abschloss. Die Verantwortung für den Kostenanstieg und für die Bauverzögerungen lastet der Bericht dem mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Geschäftsführer des Bauträgers an. Dieser habe auch das konfliktreiche Dreiecksverhältnis zwischen der Stadt, dem Baukonzern Hochtief und den Generalplanern um die Schweizer Architekten Herzog und de Meuron zu verantworten.Den schwarzen Peter schoben sich diese drei Parteien in den vergangenen Jahren immer wieder gegenseitig zu. In seinem Bericht hält der Ausschuss dem Hochtief-Konsortium vor, im Angebot verschwiegen zu haben, dass wegen des komplexen Projekts und bautechnischer Unsicherheiten spätere Änderungen möglich seien und erhebliche Kostenrisiken bestünden. Die Architekten hätten durch Fristüberschreitungen zur Kostenexplosion beigetragen. Dem damals regierenden Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Ole von Beust (CDU), wird in dem Bericht neben falschen Personalentscheidungen vorgeworfen, die Verantwortung für die mangelhafte Kontrolle der städtischen Projekt-Realisierungsgesellschaft und das Chaos in der Projektentwicklung nicht gestoppt zu haben. Die Neuordnung des Verhältnisses zwischen den maßgeblichen Projektbeteiligten folgte erst nach dem Regierungswechsel in Hamburg 2010 unter dem SPD-geführten Senat – freilich verbunden mit einem weiteren eklatanten Kostenanstieg.Das Konzerthaus-Fiasko ist in den vergangenen Jahren von vielen Seiten beleuchtet worden, in Zeitungshäusern hat es Politik-, Wirtschafts- und sogar Feuilletonressorts beschäftigt. Korruptionsbekämpfer riefen dazu auf zu prüfen, ob den Projektbeteiligten nicht nur fahrlässiges, sondern auch vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden könne. Nach Anzeigen schaltete sich vor fünf Jahren bereits die Hamburger Justiz ein, erlangte jedoch keine stichhaltigen Hinweise auf strafbares Handeln. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittler beobachten den Fall nach wie vor, wie zu hören ist: Unter die Lupe kommen soll nun der Ausschussbericht.Das Baudebakel um die Elbphilharmonie steht – wie der geplante Berliner Großflughafen oder das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 – längst beispielhaft für die Überforderung der Politik bei Entwicklung und Management von Großprojekten. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, solche Bauvorhaben allein privaten Unternehmen zu überlassen. Dazu finden sich im In- und Ausland zu viele Projekte unter privater Verantwortung, die ebenfalls auf spektakuläre Weise aus dem Ruder liefen. ——–Das Debakel um die Elbphilharmonie hat viele Verantwortliche – bezahlen wird der Steuerzahler.——-