GASTBEITRAG

Das rechte Personal für linke Politik in Polens Zentralbank?

Börsen-Zeitung, 12.3.2016 Am Donnerstag versammelte sich der geldpolitische Rat der polnischen Nationalbank zum ersten Mal in neuer Zusammensetzung. Nach der zweitägigen Sitzung wurde bekannt gegeben, dass der Leitzins unverändert bei 1,5 % bleibt....

Das rechte Personal für linke Politik in Polens Zentralbank?

Am Donnerstag versammelte sich der geldpolitische Rat der polnischen Nationalbank zum ersten Mal in neuer Zusammensetzung. Nach der zweitägigen Sitzung wurde bekannt gegeben, dass der Leitzins unverändert bei 1,5 % bleibt. Das ist eine Entscheidung, die Experten bereits erwartet hatten.Mit der Ernennung von zwei weiteren Kandidaten durch den polnischen Staatspräsidenten Ende Februar ist dieses wichtige Gremium zur Bestimmung des geld- und währungspolitischen Kurses personell nahezu vollständig erneuert worden. Der Präsident der polnischen Zentralbank (NBP), Marek Belka, der – im Unterschied zu seinem Vorgänger Skrzypek – auch international über erhebliche Reputation verfügt, kann in den ihm verbleibenden wenigen Monaten der Amtszeit nur noch den personellen Wechsel moderieren und sich um Kontinuität der Geldpolitik in der Außendarstellung bemühen.Die ihm im geldpolitischen Rat zur Seite gestellten neuen Mitglieder verfügen über sehr unterschiedliche fachliche Voraussetzungen. Indessen ist ihnen allen gemein, auf das Engste mit den neuen Machthabern Polens, der Partei “Recht und Gerechtigkeit” von Jaroslaw Kaczynski, verbunden zu sein. Dies gilt nicht nur für Jerzy Kropiwnicki, den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Lódz, welcher für die Kaczynski-Partei als Abgeordneter kandidierte und als enger Weggefährte des gegenwärtigen Zentralbankpräsidenten Belka gilt, sondern auch für Jerzy Zyzynski, der in den nächsten Tagen als letztes Ratsmitglied bestätigt wird und bislang im Parlament als Abgeordneter ein Mandat innehatte. Auch der Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Katowitz Eugeniusz Gatnar sowie die Professorin der oberschlesischen Handelshochschule Grazyna Ancyparowicz sind, wenn auch mit formalen akademischen Meriten ausgestattet, treue Parteigänger der Kaczynski-Partei. Grazyna Ancyparowicz trat besonders häufig in “Radio Maryja” auf und tat sich insbesondere als Beraterin des Staatspräsidenten Andrzej Duda für Fragen der Sozialpolitik und der Familie hervor. Das jüngste Mitglied des geldpolitischen Rats, der 34-jährige Marek Chrzanowski, hat es bislang zum Juniorprofessor an der Warschauer Wirtschaftshochschule gebracht. Umso mehr tat er sich dafür als Koordinator für wirtschafts- und unternehmenspolitische Fragen beim Staatspräsidenten hervor. Auch für den 38-jährigen Kamil Zubelewicz, der Öffentlichkeit bestenfalls als Rektor einer Privathochschule des Kollegium Civitas bekannt, sucht man bisher zu geldpolitischen Fragen vergeblich nach Referenzen.Immerhin ist es der öffentlichen Diskussion in Polen gelungen, solche Kandidaten aus dem Gremium herauszuhalten, deren akademische Karriere umstritten ist. So musste Henryk Wnorowski am 10. Februar 2016 zur Kenntnis nehmen, dass die ihn bislang unterstützende Kaczynski-Partei seine Kandidatur zurückgezogen hatte. Wnorowski, Dekan der Fakultät für Wirtschaft und Management der Universität in Bialystok, war lange Zeit Präsident von Polmos, einem der größten polnischen Alkoholgetränkehersteller aus Bialystok. Indessen hat ihn das nicht daran gehindert, parallel an der Universität von Bialystok tätig zu werden. In der akademischen Öffentlichkeit wurde dann allerdings bekannt, dass die von ihm betreute Doktorarbeit von Marek Konarzewski so fehlerhaft war, dass diesem der Doktortitel entzogen werden musste. Auch das ehemalige Mitglied des Vorstands der polnischen Zentralbank Malgorzata Zaleska schaffte den Sprung in das geldpolitische Steuerungsgremium nicht. Sie, deren akademische Meriten auch in Warschau umstritten sind, wurde indessen großzügig mit dem Vorsitz der Warschauer Börse abgefunden. Gefahr für BonitätssiegelObwohl verschiedene Abgeordnete der Kaczynski-Partei bereits im Herbst 2015 eine lockere Geldpolitik gefordert hatten, dürften abrupte Änderungen in der Übergangsphase bis zur Neuwahl des NBP-Präsidenten nicht zu erwarten sein. Indessen stellt sich die Frage, ob das nunmehr personell auf Kaczynski getrimmte geldpolitische Gremium den fiskalpolitischen Postulaten der neuen Machthaber Rechnung tragen wird. Die Erwartungen der Bevölkerung gegenüber der neuen Regierung verlangen nach sozialpolitischen Geschenken und einem fiskalpolitischen Laxismus, der in absehbarer Zeit die Ratingagenturen zu einer Herabstufung von Polens Bonität veranlassen könnte. Dies mag dann eine willkommene Gelegenheit für Kaczynski und Co. sein, die dunklen Mächte, die sich im Ausland gegen Polen verschworen haben, erneut zu verteufeln. Indessen dürfte es am Handlungsspielraum der Wirtschaftspolitik, die zunehmend von Vize-Premierminister Mateusz Morawiecki bestimmt wird, kaum etwas ändern. Dies könnte die Stunde derjenigen Experten sein, die, wie Professor Malgorzata Iwanicz-Drozdowska, vielleicht wegen ihrer großen akademischen Qualifikation nicht für hinreichend politisch gefügig gehalten wurden, um im geldpolitischen Rat Einzug zu halten. Jedenfalls fehlt es schon jetzt nicht an mahnenden Stimmen, die eine linke Ausgabenpolitik mit erheblichen Risiken für den Außenwert des Zloty und die Bonität Polens verbunden sehen. Der altgediente NBP-Bedienstete Zenon Marciniak sieht Polen in einer schwierigen Situation und hofft auf Einsicht, dass die Politik die Gesetze der Ökonomie und insbesondere Polens Integration in die europäische und die Weltwirtschaft nicht aufzuheben vermöge.—-Markus C. Kerber, Öffentliche Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik Technische Uni Berlin