Geldpolitik

Das Tempo der US-Zinswende bleibt völlig offen

Die US-Notenbank wird in drei Wochen die erste Zinssenkung seit März 2020 beschließen. Unklar ist, wie weit die Fed den Geldhahn aufdrehen wird. Auch bei der EZB dürfte es hitzige Diskussionen um die mittelfristige Geldpolitik geben.

Das Tempo der US-Zinswende bleibt völlig offen

Das Tempo der US-Zinswende bleibt völlig offen

Arbeitsmarkt rückt bei der Fed zunehmend in den Fokus – EZB nimmt Konjunktur stärker in den Blick

det/mpi Washington/Frankfurt

Eine Zinssenkung der Fed im September, die erste seit viereinhalb Jahren, preisen die Finanzmärkte nicht erst seit Jackson Hole fest ein. Doch mit dem Auftritt des US-Notenbankchefs Jerome Powell bei der wirtschaftspolitischen Konferenz sehen sich die Anleger in ihrer Prognose bestätigt. Nun stellt sich für die Märkte die wichtige Frage, wie weit die Fed den Geldhahn aufdrehen wird. Das Ziel der Währungshüter wird es sein, einen Zinssatz zu erreichen, der gleichzeitig Wirtschaftswachstum und Geldwertstabilität ermöglicht. 

Die Kernaussage Powells war einerseits ungewöhnlich direkt, ließ aber gleichzeitig alle Möglichkeiten offen. „Die Zeit ist gekommen, um die Geldpolitik anzupassen“, ließ der Fed-Vorsitzende keinen Zweifel daran, dass der Offenmarktausschuss (FOMC) nächsten Monat zum ersten Mal seit März 2020 die Zielzone für den Tagesgeldsatz heruntersetzen wird. Allerdings fügte er den üblichen Hinweis hinzu, mit dem sich das FOMC alle Optionen offen hält. „Die Richtung der Reise ist klar. Doch das Timing und das Tempo der Zinssenkungen werden von aktuellen Daten abhängen“. Auch davon, wie sich die Konjunkturaussichten entwickeln und „wie sich verschiedene Risiken die Waage halten“, sagte Powell.  

Folgen für den Arbeitsmarkt

Unterdessen bleibt unklar, wie kräftig der Zinsschritt in drei Wochen sein wird. Das FedWatch Tool der CME Group unterstellte am Montag mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 65%, dass Powell und Co. den Zielkorridor für den Tagesgeldsatz um 25 Basispunkte auf 5,0 bis 5,25% zurückschrauben werden. Auch wird im November von einer weiteren Lockerung ausgegangen, deren Höhe aber ebenfalls unsicher ist. Patrick Harker, der Präsident der Federal Reserve Bank von Philadelphia, fasste die Ungewissheit unter seinen Kollegen treffend zusammen. Notwendig sei es, „systematisch vorzugehen. Wir müssen den Prozess einleiten und dann in Bewegung halten“, sagte Harker. 

Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Frage, wie effektiv der geldpolitische Transmissionsmechanismus ist. In diesem Zusammenhang schien unter den Teilnehmern ein Konsens darüber zu bestehen, dass die Fed sich angesichts der deutlich niedrigeren Inflation nun verstärkt auf die Folgen ihrer Zinsbeschlüsse für den Arbeitsmarkt konzentrieren muss. Insbesondere, dass die restriktive Zinspolitik der vergangenen zweieinhalb Jahre dem ohnehin schon schwächeren Stellenwachstum einen starken Dämpfer verpassen könnte, sollte die Notenbank nicht sehr bald die Zinswende einleiten.

Vor diesem Hintergrund warten Marktteilnehmer auch gespannt auf die neuen Konjunktur- und Zinsprognosen der Notenbank. Diese wird das FOMC nach seiner Sitzung am 18. September veröffentlichen. Im Juni hatten Mitglieder des Offenmarktausschusses vorausgesagt, dass die Arbeitslosenquote bis Jahresende bei  4,0% liegen würde. Auch prognostizierten sie, dass es nur eine Zinssenkung von 25 Basispunkten geben würde. Die Arbeitslosenquote kletterte aber bereits im Juli auf 4,3%. Auch gehen viele Analysten davon aus, dass mit mindestens zwei Zinssenkungen zwischen September und dem Jahresende zu rechnen ist.           

EZB auf der Suche nach Balance

Auch bei der EZB rücken zunehmend die Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik auf die Realwirtschaft in den Fokus – auch wenn die Währungshüter im Euroraum anders als ihre Kollegen in den USA kein duales Mandat besitzen. EZB-Chefökonom Philip Lane erklärte zwar bei seinem Auftritt in Jackon Hole, dass das nachhaltige Erreichen des Inflationsziels weiterhin nicht sichergestellt ist.

Lane warnte in seinen Ausführungen aber explizit auch vor den negativen Auswirkungen der Geldpolitik auf die schwache Euro-Konjunktur. „Ein Zinspfad, der zu lange zu hoch ist, würde mittelfristig zu einer chronisch unter dem Zielwert liegenden Inflation führen und wäre im Hinblick auf die Minimierung der Nebenwirkungen auf Produktion und Beschäftigung ineffizient.“ Damit spielt Lane auf den schwierigen Balanceakt an, den die Notenbank bereits in ihren jüngsten Sitzungsprotokollen hervorgehoben hat. Die EZB muss eine Geldpolitik finden, die eine zeitnahe Rückkehr zur Preisstabilität sicherstellt, ohne die angeschlagene Euro-Wirtschaft konjunkturell unnötig stark auszubremsen.

Wie genau das aussehen könnte, dürften die EZB-Ratsmitglieder im September diskutieren. Eine Lockerung um 25 Basispunkte in zweieinhalb Wochen dürfte fester Bestandteil dessen sein.

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