Das Theater um Bidens Haushaltsgesetz
Von Peter De Thier, Washington
Als sein Sieg bei der Präsidentschaftswahl eingetütet war und die Demokraten zudem die Mehrheiten in beiden Kongresskammern erobert hatten, hätte Joe Biden wohl kaum gedacht, dass sein erstes Amtsjahr in ein Flickwerk aus Pleiten, Pech und Pannen ausarten würde. Nach dem desaströsen Truppenabzug aus Afghanistan wollte er schnellstmöglich den Fokus auf innenpolitische Schwerpunkte richten, allen voran auf Infrastrukturinvestitionen sowie ein neues Haushaltsgesetz, das unter anderem 555 Mrd. Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel vorsieht. Nun aber könnten beide Ausgabenprogramme ausgerechnet hartnäckigen Flügelkämpfen in seiner eigenen Partei zum Opfer fallen. Die Folgen könnten verheerend sein.
Dabei hatte im Sommer alles so gut begonnen. Im Senat stimmten selbst zahlreiche Republikaner Bidens Infrastrukturpaket im Wert von 1,2 Bill. Dollar zu, das Investitionen in Straßen, Brücken, das Schienennetz und den erweiterten Breitbandzugang vorsieht. Die Zustimmung durch das demokratisch beherrschte Repräsentantenhaus schien eine reine Formsache zu sein.
Durch die Vorlage seines getrennten Haushaltsgesetzes, für das der Präsident ursprünglich den Rekordbetrag von 3,5 Bill. Dollar forderte, wurde jedoch alles kompliziert. Die Oppositionspartei wollte von dem hohen Preisschild nichts wissen und lehnte die darin vorgesehenen Steuererhöhungen ab. Der progressive Flügel der Demokraten, der sogar noch mehr für die Umwelt, die staatliche Krankenversorgung und andere Sozialausgaben fordert, wollte aber keine Abstriche hinnehmen.
Allen Differenzen zum Trotz hatte es am Wochenende den Anschein, als wäre die Ziellinie in Sicht. Linksliberale Demokraten sahen ein, dass 3,5 Bill. Dollar gerade angesichts der ausufernden Staatsschulden chancenlos waren. Sie waren plötzlich bereit, sich mit der Hälfte zufriedenzugeben. Auch hatten zwei moderate Demokraten, deren Zustimmung unverzichtbar ist, nämlich die Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema, versprochen, dass sie die neue Haushaltsvorlage billigen würden.
Folglich strahlte der Präsident vor Zuversicht und verkündete beim G20-Gipfel, dass sein Budgetgesetz vor der Verabschiedung stehe. Plötzlich und unerwartet machte ihm dann aber Manchin einen Strich durch die Rechnung, der dem Umweltetat deswegen kritisch gegenübersteht, weil in seinem Staat West Virginia die Kohleindustrie zu den wichtigsten Arbeitgebern zählt.
Mit leeren Händen
Demokraten neigen nun dazu, eine getrennte Abstimmung über die Infrastrukturinvestitionen vorzunehmen, und dazu könnte es noch diese Woche kommen. Das wäre aber nur ein erster Schritt, denn ohne einen neuen Haushalt drohen bereits Anfang Dezember verheerende Konsequenzen. So müssten beide Parteien ein weiteres Mal über die staatliche Schuldengrenze verhandeln, die nur bis zum 3. Dezember ausgesetzt wurde. Unruhen an den Finanzmärkten wären unvermeidlich. Leidtragender ist dabei kein Geringerer als der Präsident, der nun in Glasgow mit leeren Händen dasteht und angesichts des Unvermögens, einen Haushalt durch den Kongress zu bekommen, im eigenen Land in der Wählergunst immer weiter abrutscht.