Dehnungsübungen für die Jobstatistik
Hurra, Hurra, der neue chinesische Fünfjahresplan ist da. Noch darf man ihn nicht öffentlich einsehen, dazu muss er erst einmal feierlich vom Volkskongress im kommenden März verabschiedet werden. Aber wenigstens werden zu dem, was die Parteispitze ausgeheckt hat, schon mal ein paar “Teaser” gereicht. Schließlich muss dem Publikum versichert werden, dass auch die nächsten fünf Jahre – Corona und böse Amerikaner hin oder her – wirtschaftlich alles glatt laufen wird.Zu einem erfolgreichen Wirtschaftsmodell gehören niedrige Arbeitslosenraten. Die Corona-Pandemie als weltweiter Jobvernichter Nummer 1 müsste auch auf dieser Ebene für Verwüstungen sorgen. Bezeichnenderweise aber muss man in Chinas Arbeitslosenstatistik mit der Lupe danach suchen. Die offizielle Arbeitslosenrate ist im Zuge von Corona nur um ein paar Nachkommastellen nach oben getrieben worden, kein Grund für Aufregung also.Zum Teil liegt es daran, dass in China die Beschäftigungszahlen praktischerweise nur in urbanen Regionen statistisch erfasst werden. Dort, wo Beschäftigungslücken vor sich hinbrodeln, nämlich in ländlichen Gegenden und bei der Dutzende von Millionen starken Kaste der Wanderarbeiter, kann man nur mit Dunkelziffern hantieren beziehungsweise geflissentlich über diese hinwegsehen. *Wie aber sieht es bei einem Eckpfeiler einer aufstrebenden Gesellschaft aus, nämlich den Universitätsabsolventen? Mit brennendem Eifer und frischer Wissensvermittlung gewappnet sind sie auf der Suche nach einem auskömmlichen Berufsleben, treffen in diesem Jahr aber auf einen von Corona zumindest angenagten Arbeitsmarkt. Wir reden hier von immerhin knapp 9 Millionen jobdurstigen jungen Chinesen, die den 2020er-Diplomierten-Jahrgang stellen.Auch hier scheinen Chinas Wirtschaftsplaner eine neue Wundertüte aufgemacht beziehungsweise alles im Griff zu haben. Schließlich sind Beschäftigungszahlen ein gutes Stück weit immer auch Definitionssache.Die “neue Ära des Sozialismus mit chinesischen Charakteristika” wird bekanntlich von besonderer Technologieaffinität geprägt. So muss man nur mit der Zeit gehen, um die mannigfaltigen Ablenkungen der Neuzeit – wie etwa Online-Spiele (Gaming), den sogenannten E-Sport, Blogging-Aktivitäten, Livestreaming oder Ebay-ähnliche Verkaufsaktivitäten auf Chinas Online-Handelsplattformen – als Berufung zu verstehen und mithin einen Beruf daraus zu machen. *Wer nun also die letzten Wochen und Monate in erster Linie damit verbracht hat, auf seinem Computer und Smartphone mit Online-Amüsement die Zeit zu verdaddeln, ist für den Arbeitsmarkt keineswegs verloren gegangen. Nach neuer chinesischer jobstatistischer Lesart befindet er sich vielmehr in einer Art Lehrzeit auf dem Weg zur Karriere als Gamer, Blogger, Livestreamer, Tiktoker, Web-Influencer und was sonst noch. Mithin darf er getrost zur arbeitenden Bevölkerung gerechnet und damit aus der Arbeitslosenstatistik herausgerechnet werden.Dazu muss man wissen, dass chinesische Universitäten minuziös erfassen, welche Berufskarrieren ihre Zöglinge einschlagen, und diese Informationen gebündelt an die Behörden übermitteln. In diesem Jahr hat Chinas Erziehungsministerium in weiser Voraussicht bereits im Juni die Universitäten dazu angewiesen, neue Reporting-Kriterien anzusetzen. Dies führt dazu, dass all die bunten Online-Aktivitäten, mit denen sich in China schließlich auch Geld verdienen lässt, als erfolgreiche Jobplatzierungen von Uniabsolventen begriffen werden können, und zwar unter dem neuen Rubrum “flexible Beschäftigung”.Da man in Coronazeiten bekanntlich stärker auf das häusliche Umfeld fixiert ist und sich damit auch stärker den Online-Ablenkungen hingibt, sieht es für Chinas Arbeitsmarktperspektiven geradezu rosig aus. Wer mit Online-Spielen voll beschäftigt ist, trägt zur Vollbeschäftigung bei. So lässt sich ganz entspannt und flexibel die neue fünfjährige Wirtschaftsplanperiode angehen.