Deka ohne Hoffnung auf klare EZB-Signale
Am morgigen Donnerstag trifft sich der EZB-Rat zur letzten Sitzung vor der Sommerpause. Wesentliche Weichenstellungen hat er bereits im Juni getroffen. Beobachter erwarten sich aber mehr Klarheit vor allem über die Zukunft der Leitzinsen. Es scheint jedoch fraglich, ob die Euro-Hüter da konkreter werden wollen.ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) wird sich nach Einschätzung der DekaBank vorerst weiter nicht in die Karten schauen lassen, was den Termin für eine erste Zinserhöhung im Euroraum betrifft. Zugleich dürften sich die Euro-Hüter auch die “Hintertür” offen halten, ihre umstrittenen Wertpapierkäufe über das Jahresende 2018 hinaus zu verlängern, auch wenn das unwahrscheinlich sei, schreibt Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann im Kommentar zum neuen Zinskompass, der stets vor einer Zinssitzung in der Börsen-Zeitung veröffentlicht wird. Der EZB-Rat tagt am morgigen Donnerstag. Konkurrierende MotiveTödtmann begründet seine Einschätzung damit, dass für die Notenbanker derzeit “zwei konkurrierende Leitmotive” existierten. Einerseits seien sie zuversichtlich, dass sich der Wirtschaftsaufschwung fortsetzt und dies auch die Inflation befeuert. Andererseits gebe es große Risiken wie die globalen Handelsstreitigkeiten. “Von daher dürfte die Kommunikation der EZB vorerst vage bleiben”, so Tödtmann: “Mit klareren Signalen ist erst peu à peu zu rechnen, soweit die makroökonomischen Daten einen sich fortsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung belegen.”Der EZB-Rat hatte bei seiner Sitzung Mitte Juni in Aussicht gestellt, sein Anleihekaufprogramm Quantitative Easing (QE) Ende 2018 auslaufen zu lassen. EZB-Präsident Mario Draghi hatte aber zugleich mehrfach betont, dass das abhängig sei von der Entwicklung des Inflationsausblicks und dass der EZB-Rat im Notfall bereit sei nachzulegen. Mit Blick auf die Leitzinsen hatte der Rat erklärt, diese “über den Sommer 2019” nicht anzutasten. Was das genau bedeutet, blieb aber unklar und sorgt seitdem für Spekulationen und Diskussionen.Einige Beobachter erhoffen sich von der Sitzung am morgigen Donnerstag jetzt mehr Klarheit. Diese Hoffnung könnte sich allerdings zerschlagen. Zwar scheint die Hürde im EZB-Rat für eine abermalige QE-Verlängerung sehr hoch zu liegen – zumal die EZB auch zunehmend an selbst gesetzte Grenzen stößt. Zugleich ist aber die Sorge vor einer zu frühzeitigen Festlegung verbreitet. Den Zinsausblick hatte der Rat dagegen im Juni bewusst vage gehalten, um flexibel reagieren zu können, wie aus dem Sitzungsprotokoll hervorgeht (vgl. BZ vom 13. Juli).Auch Tödtmann hält die Wahrscheinlichkeit für eine QE-Verlängerung für “ausgesprochen gering”. Dafür müsse sich der Inflationsausblick schon stark verschlechtern. Mit ihrer Guidance und der betonten Flexibilität wolle die EZB vor allem “unterstreichen, dass ihr geldpolitischer Ausstieg keinem vorgefertigten Plan folgt, sondern sie flexibel auf unvorhergesehene Umstände reagieren wird”. Derzeit kauft das Eurosystem für rund 30 Mrd. Euro im Monat Wertpapiere. Im Schlussquartal soll das Volumen auf 15 Mrd. Euro sinken, und die Käufe sollen dann beendet werden.Auch der Kompasswert, der die für die EZB maßgeblichen Indikatoren zusammenfasst, signalisiert laut Tödtmann, dass die Nettowertpapierkäufe nicht mehr erforderlich seien. Im Juni machte er einen deutlichen Sprung auf 47,5 Punkte (siehe Grafik) – womit er nur noch knapp in dem Bereich liegt, der eine expansive Geldpolitik nahelegt. Mittelfristig sei zwar wieder mit etwas niedrigeren Werten zu rechnen. Aber selbst dann sollten sie nicht allzu weit unter der neutralen Marke von 50 Punkten liegen, so Tödtmann.Mit Blick auf den Zinsausblick geht der Volkswirt nicht davon aus, dass der Rat am Donnerstag spezifiziert, was er mit “über den Sommer 2019” hinaus meint. Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau hatte zuletzt beispielsweise gesagt, eine erste Zinserhöhung sei im Sommer 2019 möglich. Dagegen hatte Litauens Zentralbankchef Vitas Vasiliauskas eine Anhebung vor September ausgeschlossen. Er hatte von September oder Oktober 2019 als möglichem ersten Termin gesprochen. Der Leitzins liegt aktuell bei 0 %, der Einlagensatz sogar bei -0,4 %.Nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters gehen Ökonomen derzeit davon aus, dass die Euro-Hüter zunächst ihren Einlagensatz im dritten Quartal 2019 um 15 Basispunkte auf dann -0,25 % anheben. Den Schlüsselsatz wird die Notenbank dann nach Vorhersage der Experten im Schlussquartal 2019 um 25 Basispunkte auf 0,25 % hochsetzen. Für Spekulationen sorgt aktuell auch, wie die EZB nach dem Ende der QE-Nettokäufe die geplanten Reinvestitionen gestaltet. Denn auch wenn sie die Nettokäufe stoppt, will sie auf absehbare Zeit das Geld aus auslaufenden Papieren neu investieren und so den Bestand auf der Bilanz konstant halten. Bis Ende 2018 werden sich die QE-Käufe auf rund 2,6 Bill. Euro summiert haben.In Notenbankkreisen gibt es bei den Reinvestitionen Überlegungen, stärker in langlaufende Papiere umzuschichten, um deren Renditen zu drücken. Das wird verglichen mit ähnlichen Umschichtungen der Fed im Jahr 2011, bekannt geworden als “Operation Twist”. Bundesbanksvorstandsmitglied Joachim Wuermeling hatte der Börsen-Zeitung indes gesagt, dass die Bundesbank nichts von geldpolitisch motivierten Feinjustierungen bei der Wiederanlage der Gelder hält (vgl. BZ vom 4. Juli).Deka-Volkswirt Tödtmann geht in jedem Fall davon aus, dass die EZB noch lange Zeit an einer lockeren Geldpolitik festhalten wird. Die aktuelle Kommunikation sei “eine Bestätigung dafür, dass die EZB den geldpolitischen Ausstieg nur mit einem solchen Tempo vorantreiben wird, bei dem die Finanzierungsbedingungen noch für einige Jahre stimulierend auf die Realwirtschaft wirken”.