Deka setzt auf "Lower for longer"
Die EZB steht vor zentralen Weichenstellungen für ihren Kurs im nächsten Jahr. Viele Notenbanker scheuen eine zu schnelle Kehrtwende. Die DekaBank sagt eine deutliche Verlängerung der Anleihekäufe voraus – bei reduziertem Kaufvolumen.ms Frankfurt – Die DekaBank geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre umstrittenen Anleihekäufe über Ende 2017 hinaus um neun Monate bis September 2018 verlängern wird – zugleich aber das monatliche Kaufvolumen ab Januar 2018 von aktuell 60 Mrd. Euro auf 30 Mrd. Euro halbiert. “Die Kommentare der meisten Ratsmitglieder deuten auf einen eher langsamen Kurswechsel hin”, schreibt DekaBank-Volkswirt Kristian Tödtmann im Kommentar zum neuen Deka-Zinskompass, der jeweils vor einer geldpolitischen Sitzung in der Börsen-Zeitung veröffentlicht wird. Der EZB-Rat tagt am Donnerstag. Keine Eile nötigFür einen solchen vorsichtigen Kurs der Euro-Hüter spricht laut Tödtmann auch die konjunkturelle Lage im Euroraum, wie sie im Kompasswert zum Ausdruck kommt. Der Wert, der die für die EZB relevanten Daten zusammenfasst, legte im September zwar kräftig zu auf 45,8 Punkte (siehe Grafik). Damit liegt er aber immer noch unterhalb der Niveaus vom Frühjahr, und mittelfristig rechnet die DekaBank auch eher mit leichten Rückgängen. “Insgesamt legt der Kompass der EZB zwar eine Normalisierung ihrer Geldpolitik nahe, mahnt dabei aber nicht unbedingt zur Eile”, so Tödtmann.Die EZB steht am Donnerstag vor zentralen Weichenstellungen für ihre ultralockere Geldpolitik und speziell die Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) im Jahr 2018. Sie steuert dabei auf eine Strategie des “Lower for longer” zu (vgl. BZ vom 14. und 20. Oktober). Das monatliche Kaufvolumen würde stärker reduziert als lange Zeit von den Märkten erwartet. In Notenbankkreisen wird eine Halbierung auf 30 Mrd. Euro oder gar noch etwas weniger erwogen. Dafür würde QE länger fortgeführt als zunächst gedacht. Im Gespräch sind aktuell neun Monate oder sogar noch mehr. Die Prognose der DekaBank passt dazu – und deckt sich laut einer gestern veröffentlichten Umfrage von Bloomberg auch mit dem Marktkonsens.Die Euro-Hüter stehen bei ihrer Entscheidung vor einem Dilemma: Während die Euro-Wirtschaft 2017 auf das stärkste Wachstum seit 2007 zusteuert, kommt die Inflation nicht wie erhofft in Gang. Im September lag sie bei 1,5 %, und für die nächsten Monate zeichnet sich ein neuerlicher Rückgang ab – wenn auch vor allem wegen ölpreisbedingter Basiseffekte. Die EZB strebt mittelfristig unter, aber nahe 2 % an. Die Mehrheit im EZB-Rat warnt deshalb vor einer zu zügigen endgültigen Kehrtwende. Zwiespältige SignaleEntsprechend schätzt auch Tödtmann mit Blick auf den Kompass die Lage ein. Seit Anfang 2015, als die EZB das erweiterte Kaufprogramm auf den Weg brachte, habe sich der Kompasswert deutlich verbessert. “Er deutet damit auf einen weniger großen Bedarf an monetärem Stimulus hin”, so Tödtmann. Andererseits sei seit Anfang 2017 kein nach oben gerichteter Trend mehr zu erkennen. “Das bringt zum Ausdruck, dass ein zu schneller geldpolitischer Ausstieg das Erreichen des Inflationsziels auf Spiel setzen könnte”, so Tödtmann. Eine Verlängerung um neun Monate zu 30 Mrd. Euro sei da eine Art “Kompromiss”. Bislang hat das Eurosystem aus EZB und nationalen Zentralbanken für knapp 2,2 Bill. Euro Wertpapiere gekauft, vor allem Staatsanleihen. In der Woche bis vergangenen Mittwoch beliefen sich die Käufe auf knapp 13,2 Mrd. Euro, wie die EZB gestern mitteilte – nach rund 15,5 Mrd. Euro in der Woche zuvor.Tödtmann geht auch davon aus, dass sich der EZB-Rat weiter die Option offenhalten wird, die Wertpapierkäufe bei Bedarf wieder aufzustocken oder nochmals zu verlängern. Tatsächlich dringen zwar einige Ratsmitglieder wie Bundesbankchef Jens Weidmann auf einen zügigen Ausstieg und einen klaren Exitplan. Weidmann hatte dafür im Interview der Börsen-Zeitung geworben (vgl. BZ vom 24. August). Die meisten Notenbanker im Rat scheinen aber ein Enddatum weiter zu scheuen. Sie wollen sich größtmögliche Flexibilität erhalten.Zudem wird die EZB nach Ansicht von Tödtmann erneut ihre Absicht unterstreichen, bis auf Weiteres Rückflüsse aus fällig werdenden Anleihen zu reinvestieren. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hatte unlängst sogar größere Transparenz bei den Reinvestitionen in Aussicht gestellt (vgl. BZ vom 13. Oktober). Nach Ansicht einiger Notenbanker könnte mehr Klarheit auch den expansiven Charakter der Geldpolitik unterstreichen. Welches Volumen diese Reinvestitionen haben, kann mangels Details der EZB nur grob geschätzt werden. Im Schnitt könnte das Volumen wohl bei rund 15 Mrd. Euro monatlich liegen, allerdings bei großer Volatilität von Monat zu Monat. Zinsausblick im FokusTrotz der prognostizierten signifikanten QE-Verlängerung erwartet Tödtmann zudem, dass die EZB an der Aussage festhält, dass die Leitzinsen “weit” über das Ende der Nettokäufe hinaus nicht erhöht werden. Tatsächlich ist der mit den Käufen verknüpfte Zinsausblick ein wichtiger Faktor bei der Überlegung für die “Lower for longer”-Strategie. Aus Sicht wichtiger Notenbanker bietet sie vor allem auch den Vorteil, dass mögliche Zinserhöhungen in die Zukunft verschoben werden (vgl. BZ vom 5. und 6. September).