Geldpolitik

DekaBank erwartet kontroverse Debatte im EZB-Rat

Der EZB-Rat kommt am Donnerstag zusammen – nur einen Tag nach dem Treffen der US-Notenbank Fed, die nach einer weiteren Zinserhöhung eine Pause einlegen könnte. Die Meinungen der Euro-Notenbanker gehen auseinander – und neue Daten bieten ein gemischtes Bild.

DekaBank erwartet kontroverse Debatte im EZB-Rat

DekaBank erwartet kontroverse Debatte im EZB-Rat

Ökonomen prognostizieren wegen Datenlage Zinserhöhung um 25 Basispunkte – Kompromisse zwischen Tauben und Falken – Kanzler Scholz lobt Straffung

Der EZB-Rat kommt am Donnerstag zu einer wegweisenden Zinssitzung zusammen – nur einen Tag nach dem Treffen der US-Notenbank Fed, die nach einer weiteren Zinserhöhung eine Pause einlegen könnte. Die Meinungen der Euro-Notenbanker gehen auseinander – und neue Daten bieten ein gemischtes Bild.

ms Frankfurt

Wachstum und Inflation im Euroraum sprechen nach Einschätzung der DekaBank dafür, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer Zinssitzung am Donnerstag ihre Leitzinsen um 25 statt wie zuletzt 50 Basispunkte anheben sollte. Tatsächlich prognostiziert das Institut auch einen solchen Schritt, erwartet dabei aber eine kontroverse Debatte im EZB-Rat – weil einige Notenbanker womöglich für einen stärkeren Zinsschritt sein könnten. Als Kompromiss könnte eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte verknüpft werden mit Signalen für weitere Zinsschritte, so Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann im Kommentar zum neuen Deka-Zinskompass, der die für die EZB maßgeblichen Indikatoren bündelt und stets vor einer geldpolitischen Sitzung in der Börsen-Zeitung veröffentlicht wird.

Falken versus Tauben

Der EZB-Rat kommt am Donnerstag zu einer wegweisenden Sitzung zusammen. Eine weitere Zinserhöhung gilt zwar als ausgemacht. Die Höhe ist aber umstritten. Die meisten Beobachter erwarten, dass die EZB das Zinserhöhungstempo von 50 auf 25 Basispunkte drosselt. Allerdings gibt es auch einige, die auf 50 Punkte spekulieren. Diese Option haben auch einige Euro-Notenbanker explizit auf der Agenda gelassen. Zudem müssen die Notenbanker entscheiden, wie es über diese Sitzung hinaus weitergeht mit den Zinsen. In der Frage scheinen die Meinungen der Notenbanker noch weiter auseinander zu gehen. Einige liebäugeln mit einigen weiteren Zinserhöhungen, andere scheinen einen solchen Bedarf nicht zu sehen.

Die Hardliner („Falken“) im EZB-Rat argumentieren vor allem mit der weiter sehr hohen Inflation und dem hartnäckigen zugrundeliegenden Preisdruck. Im April legte die Euro-Inflation sogar wieder etwas auf 7,0% zu, während die Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel) leicht auf 5,6% sank (siehe Text unten auf dieser Seite). Beides ist aber weit oberhalb des 2-Prozent-Ziels der EZB. Die „Tauben“ dagegen sorgen sich wegen der schwächelnden Wirtschaft, den jüngsten Bankenturbulenzen und der Tatsache, dass sich die volle Wirkung der jüngsten beispiellosen Zinsstraffung erst noch entfalten wird. Seit Juli vergangenen Jahres hat die EZB ihre Leitzinsen um 350 Basispunkte erhöht – so etwas gab es zuvor noch nie.

Laut Deka-Volkswirt Tödtmann legt der Kompass der EZB nun nahe, die Leitzinsen dieses Mal eher um 25 als um 50 Basispunkte anzuheben. Der Kompasswert sank im April auf 30,8 Punkte, weil seine Inflationssäule ihren steilen Rückgang fortsetzte (siehe Grafik). Demgegenüber deutet laut Tödtmann die wieder positive Konjunktursäule auf eine leichte Zunahme der wirtschaftlichen Dynamik hin. Die Finanzierungssäule liegt demnach nach wie vor im positiven Bereich, wobei ihre Details ein uneinheitliches Bild der geldpolitischen Transmission zeichnen.

Bei der bislang letzten Zinssitzung im März hatten die Euro-Notenbanker dargelegt, dass sie sich neben dem Inflationsausblick vom zugrundeliegenden Trend der Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission leiten lassen werden. „Jedoch beurteilen die einzelnen Notenbanker diese Faktoren keineswegs einheitlich, sodass es zu einer kontroversen Diskussion kommen dürfte“, so Tödtmann. „Ein Kompromiss könnte darauf hinauslaufen, die Leitzinsen jetzt um 25 Basispunkte zu erhöhen und für die kommenden Ratssitzungen Zinsschritte der gleichen Größenordnung anzudeuten, ohne sich auf deren genaue Anzahl festzulegen.“ Dies, so Tödtmann, sei „mit dem Ansatz der Datenabhängigkeit kompatibel und würde der EZB ein hohes Maß an Flexibilität bewahren“.

Neben der Zinspolitik ist zuletzt auch wieder verstärkt das Thema EZB-Bilanz und Abbau des enormen Anleihebestands in den Fokus gerückt. Seit März und noch bis Juni reduziert das Eurosystem seinen Anleihebestand um 15 Mrd. Euro pro Monat. Mitte April hatte EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann im Interview der Börsen-Zeitung von einer allgemeinen Neigung im EZB-Rat zu einer schnelleren Gangart gesprochen (vgl. BZ vom 13. April). Er stellte die Option in den Raum, ab Juli die Reinvestitionen im Zuge des Anleihekaufprogramms APP ganz einzustellen. Das würde das monatliche Abbauvolumen von 15 Mrd. Euro auf rund 26 Mrd. Euro erhöhen, sagte er. Tatsächlich erwarten die Experten von Barclays eine solche Ankündigung für Donnerstag. Einige Beobachter spekulieren zudem darauf, dass die EZB im Sommer eine neue Liquiditätshilfe auflegen könnte – als „Brücke“ vor der anstehenden Rückzahlung großer Liquiditätshilfen aus der Krisenzeit (TLTROs).

Unterdessen erhielt die EZB am Dienstag Rückendeckung für ihre straffere Geldpolitik durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Wir müssen die Inflation wieder zurückdrängen“, sagte Scholz in Dresden. Die hohe Teuerung beeinträchtige die wirtschaftlichen Abläufe, weil die Akteure nicht gut kalkulieren könnten. „Wir müssen das bekämpfen. Das ist keine Sache, die einfach so geschieht“, so Scholz. „Darum bin ich sehr froh, dass die EZB entschieden hat, eine restriktive Geldpolitik zu machen.“ Solche Aussagen von Politikern zur EZB sind unüblich.