DekaBank sieht derzeit keine Notwendigkeit für EZB-Zinserhöhung im September
Zinsplateau laut DekaBank fast erreicht
Daten zeigen keine Notwendigkeit für weitere Erhöhung im September – Unsicherheit jedoch hoch – Kommunikation für EZB eine Herausforderung
Eine Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) um 25 Basispunkte am Donnerstag ist so gut wie sicher. Über den weiteren Kurs wird innerhalb der EZB kontrovers diskutiert. Der Zinskompass der DekaBank liefert kein signifikantes Signal mehr dafür, dass eine weitere Erhöhung im September nötig ist.
mpi Frankfurt
Wenn die EZB am Donnerstag zu ihrer letzten Zinssitzung vor der Sommerpause zusammenkommt, steht dabei vor allem im Fokus, welche Signale für den Zinsentscheid im September kommen werden. Innerhalb des EZB-Rats wird kontrovers darüber diskutiert, ob nach der als so gut wie sicher geltenden Leitzinserhöhung um 25 Basispunkte in dieser Woche eine weitere Straffung im Herbst nötig sein wird oder nicht. Für die DekaBank ist der Zinsgipfel womöglich schon nach der Zinserhöhung in dieser Woche erreicht.
Der Deka-EZB-Kompass hat seinen Abwärtstrend fortgesetzt und ist im Juni auf 4,8 Punkte gefallen. Dies sei ein Niveau, „das kaum noch für eine weitere Anhebung der Leitzinsen spricht“, schreibt Kristian Tödtmann, Leiter des Bereichs Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank, im neuen Deka-Zinskompass, der jeweils vor einer geldpolitischen Sitzung in der Börsen-Zeitung erscheint. Allerdings weist Tödtmann darauf hin, dass die Unterschiede in den makroökonomischen Daten die Prognose derzeit erschweren. Während außerdem die Konjunktursäule des Zinskompasses deutlich negativ ist und auf weitere Abwärtsrisiken für die Wirtschaft hinweist, befindet sich die Inflationssäule trotz ihres Rückgangs auf einem weiter hohen Niveau.
Schwächelnde Industrie
Innerhalb der Konjunkturdaten für die Eurozone gibt es eine Divergenz. Deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen dem schwächelnden verarbeitenden Gewerbe und dem trotz der Zinserhöhungen immer noch resilienten Dienstleistungssektor. Zumindest einige Notenbanker werten dies als Beleg für die restriktive Wirkung der Geldpolitik, weil die Ausgaben für Investitionsgüter und langlebige Konsumgüter zinsabhängiger seien als diejenigen für Dienstleistungen. Im Hinblick auf die Inflation ist aber laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde von entscheidender Bedeutung, dass die dämpfenden Effekte der Geldpolitik letzten Endes auch auf die Aktivität im Dienstleistungssektor ausstrahlen.
Die am Montag veröffentlichten vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für den Monat Juli deuten eine solche Entwicklung zumindest an. Demnach verschlechterte sich die Stimmung der Unternehmen auf breiter Front. Und selbst wenn sie im Dienstleistungssektor noch deutlich besser ist als im verarbeitenden Gewerbe, klagen die Unternehmen auch dort über sinkende Neuaufträge.
Von Banken aufgrund der höheren Leitzinsen verschärfte Finanzierungskonditionen für Firmen- und Privatkundenkredite tragen dazu bei, dass sich die Konjunktur aufgrund von sinkenden Investitionen weiter abkühlt. Die geringere wirtschaftliche Aktivität dürfte auch den Inflationsdruck reduzieren.
Sinkende Inflation
Bei der Inflationssäule des Zinskompasses hat sich der nach unten gerichtete Trend fortgesetzt. Erzeuger- und Einfuhrpreise spiegeln einen nachlassenden Kostendruck auf vorgelagerten Produktionsstufen wider. „Auch die Preiserwartungen von Unternehmen und privaten Haushalten sind in bemerkenswerter Weise zurückgegangen, während andere, nicht in den EZB-Kompass einfließende Maße der Inflationserwartungen nach wie vor auf einem hohen Niveau liegen“, schreibt Tödtmann.
Die hohe Kerninflation von 5,5% im Juni beruht laut der DekaBank vor allem auf technischen Faktoren. Die im Vergleich zum Vorjahr erheblich veränderten Gewichte im Warenkorb hätten zur Folge, dass sich zu dieser Jahreszeit übliche Preiserhöhungen bei Pauschalreisen und anderen Tourismusdienstleistungen besonders stark auf den Verbraucherpreisindex auswirken und dadurch seine Jahresrate nach oben verzerren. Dieser Effekt werde sich aber nach dem Sommer zurückbilden, wenn saisonbedingte Preissenkungen anstehen. „Insofern kann die EZB trotz der gestiegenen Kerninflationsrate an ihrer optimistischen Einschätzung vom Juni festhalten, dass einige Indikatoren der zugrundeliegenden Inflation erste Hinweise auf eine Abschwächung anzeigen würden.“
Zwiespältige Signale
Von der EZB erwartet die Deka in der Kommunikation am Donnerstag eine Abkehr von deutlichen Signalen für weitere Zinserhöhungen. Sie dürfte laut Tödtmann stattdessen einen Ton anschlagen, der offenlässt, ob im September eine erneute Erhöhung oder eine zumindest vorläufige Zinspause anstehen wird. Doch hierbei muss die Zentralbank laut dem Geldpolitikexperten vorsichtig agieren.
„Wenn die EZB bei ihrer morgigen Sitzung keine eindeutige Absicht einer weiteren Leitzinserhöhung im September zum Ausdruck bringt und stattdessen die Datenabhängigkeit ihrer Geldpolitik stärker in den Vordergrund rückt, sollte sie vorsichtig sein, dadurch keine unerwünschten Marktreaktionen hervorzurufen“, so Tödtmann „Insbesondere könnten Marktteilnehmer aus einem solchen Signal voreilig darauf schließen, dass in absehbarer Zeit sogar mit niedrigeren Leitzinsen zu rechnen sei.“
Zinssenkungen dürften jedoch so bald nicht auf der Agenda stehen. Das machten zuletzt nicht nur die Verfechter einer restriktiven Geldpolitik, die sogenannten Falken, deutlich. Auch die Anhänger eines lockereren Kurses, die Tauben, sprechen sich für ein längeres hohes Zinsniveau aus. Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau, der eher zum Lager der Tauben gezählt wird, betonte, die EZB müsse nach dem Erreichen des Zinsplateaus eine Weile auf dem Niveau verharren, um die Inflation wieder auf den Zielwert von 2% zu senken.
Die Hoffnung der Finanzmarktteilnehmer auf Zinssenkungen noch in diesem Jahr zu zerstreuen, ist für Tödtmann im Kampf gegen die weiterhin hohe Inflation zentral. Die Erwartung bald beginnender Leitzinssenkungen übe „Abwärtsdruck auf das langfristige Zinsniveau aus und schwächt damit die beabsichtigte Wirkung der restriktiven Geldpolitik“.