NACH DEM GRIECHEN-REFERENDUM - IM INTERVIEW: THOMAS MAYER

"Den Euro als Fremdwährung behalten"

Der Geldexperte über die Optionen Griechenlands

"Den Euro als Fremdwährung behalten"

Im Mai 2012 hat Thomas Mayer, damals noch Chefvolkswirt der Deutschen Bank, ein Konzept für eine Parallelwährung in Griechenland entworfen – den “Geuro”. Im Mai 2015 diskutierte Mayer, inzwischen Chef einer Denkfabrik beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch, in Athen mit Ex-Finanzminister Giannis Varoufakis und Ministerpräsident Alexis Tsipras über solche Ideen. Wie schätzt er die Lage nun ein?- Herr Mayer, nach dem klaren Nein der Griechen beim Referendum – kommt jetzt der “Geuro”?Das Ziel von Alexis Tsipras ist es, Finanzhilfen von den europäischen Institutionen zu seinen Bedingungen zu bekommen. Die Erfolgsaussichten dafür sind gar nicht so schlecht. Die europäischen Politiker wollen Griechenland um beinahe jeden Preis in der Währungsunion halten und scheinen gewillt, die für die Finanzhilfen aufgestellten Regeln so weit zu verbiegen, dass eine Einigung möglich ist. Sollte dies dennoch nicht gelingen, dann könnte Griechenland den Euro möglicherweise als Fremdwährung behalten. Dazu könnte, wenn nötig, noch eine heimische Parallelwährung kommen.- Wie könnte dies in der Praxis funktionieren?Wenn sich Griechenland mit seinen Gläubigern nicht einigen kann, wird der Staat wohl zahlungsunfähig werden. Vermutlich müsste dann die EZB die ELA-Notkredite an die Banken fälligstellen. Allerdings könnte sich der Staat dagegen wehren, wenn er die griechische Zentralbank, die Bank of Greece, dazu veranlasst, die ELA-Kredite an die Banken zu streichen. Die Bank of Greece würde dann die Targetverbindlichkeiten gegenüber der EZB, die als Gegenposten für die ELA entstanden sind, nicht länger honorieren. Mit den dadurch gewonnenen rund 90 Mrd. Euro könnten die notleidenden Kredite der Banken in Höhe von um die 80 Mrd. Euro bequem abgelöst werden. Prinzipiell könnte Griechenland daher den Euro behalten, auch wenn es keinen Zugang zur EZB mehr hat. Dass dies möglich ist, zeigt Montenegro, das den Euro als Fremdwährung nutzt.- Aber wäre die Verwendung des Euro nach einem solchen Zahlungsausfall gegenüber der EZB nicht rechtswidrig?Wir sind in einer Situation, die rechtlich nicht definiert ist. Auch wenn Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, kann es nicht zwingend aus der Währungsunion ausgeschlossen werden. Am Ende sind politische, nicht rechtliche Überlegungen entscheidend. Auch wenn alle das Verhalten Griechenlands als sehr anmaßend empfinden würden, könnte man das Verhalten des Landes hinnehmen, um das Land in der EU und der Nato zu halten.- Was wären die Vorteile einer solchen Lösung, was die Risiken?Nach einem Zahlungsausfall gegenüber der EZB wäre die Bilanz der Banken recht solide. Auch ist das Land reichlich mit Euro-Bargeld ausgestattet. Damit der Zahlungsverkehr funktioniert, müsste das Publikum jedoch in das neue Regime vertrauen. Ohne Vertrauen in die Stabilität der Banken käme es zu Bank-Runs und einem Zusammenbruch des Bankensektors. Wenn der Staat den Euro als alleinige Währung behalten will, dann muss er aber auch seinen Budgetsaldo vor dem Schuldendienst ausgleichen. Sollte ihm das nicht gelingen, müsste er wohl Schuldscheine als Parallelwährung herausgeben.- Das ist Ihr ursprünglicher Vorschlag eines “Geuro”. Wie würde das konkret ablaufen?Wenn die Regierung den Staatshaushalt nicht ausgleichen kann, muss sie unendlich laufende Schuldscheine zur Begleichung ihrer Rechnungen ausgeben. Die Empfänger wiederum werden die Schuldscheine benutzen, um ihrerseits Rechnungen zu bezahlen. So entsteht eine nationale Parallelwährung. Man wird die Schuldscheine jedoch nur mit einem deutlichen Abschlag zum Euro annehmen. Wenn letztendlich in dieser Parallelwährung auch Löhne bezahlt werden, dann kommt es zu einer effektiven Abwertung und folglich einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.- Wie groß wären die Erfolgschancen – würden die Griechen diese Scheine wirklich akzeptieren?Natürlich wäre das Geld sehr unbeliebt. Aber um überhaupt Verkäufe tätigen zu können, würden Händler es widerwillig annehmen, natürlich mit Abschlag. Es gilt Gresham’s Law: Das “schlechte” Geld verdrängt das “gute” Geld als Zahlungsmittel. Das “gute” Geld dient vornehmlich zur Wertaufbewahrung.- Liefe die Einführung einer Parallelwährung automatisch auf einen Grexit hinaus?Ein sauberer Grexit ist nicht sehr wahrscheinlich. Stattdessen sind mehrere Grauzonen denkbar. So könnte man beide Augen zudrücken und Griechenland wie Montenegro den Euro nutzen lassen, auch wenn das Land keinen Zugang zu EZB-Krediten mehr hat. Sollte das nicht klappen, weil das Vertrauen in das Bankensystem verloren geht, könnten die Griechen auch eine heimische Währung einführen und den Euro weiterhin als Bargeld nutzen.—-Die Fragen stellte Mark Schrörs.