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Den reichsten Mann Taiwans zieht es in die Politik

Von Ernst Herb, Hongkong Börsen-Zeitung, 26.6.2019 Einen weiteren schillernden Unternehmer treibt es in die Politik. Doch hat Terry Gou, der reichste Mann Taiwans, anders als etwa US-Präsident Donald Trump sein Vermögen nicht geerbt, sondern wie...

Den reichsten Mann Taiwans zieht es in die Politik

Von Ernst Herb, HongkongEinen weiteren schillernden Unternehmer treibt es in die Politik. Doch hat Terry Gou, der reichste Mann Taiwans, anders als etwa US-Präsident Donald Trump sein Vermögen nicht geerbt, sondern wie auch der ehemalige italienische Premierminister Silvio Berlusconi selbst geschaffen. Der von Gou gegründete Konzern lässt sich sehen, ist Foxconn doch nicht nur der führende Elektronikzulieferer der Welt, sondern auch der größte private Arbeitgeber Chinas. Überraschende KandidaturIm April hat der 69-jährige Tycoon überraschend angekündigt, er erwäge, bei den im Januar 2020 anstehenden taiwanesischen Präsidentschaftswahlen als Kandidat anzutreten. Dieser Schritt kommt in einem umso kritischeren Moment, haben die Beziehungen zwischen China und Taiwan, das in den Augen Pekings eine abtrünnige Provinz ist, trotz der weiterhin sehr engen wirtschaftlichen Beziehungen jüngst doch einen Tiefpunkt erreicht.Gou, der bereits 1988 eine erste Fabrik im südchinesischen Shenzhen eröffnete, sieht sich hier als Brückenbauer. Die amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen und ihre Demokratische Fortschrittspartei hingegen dringen auf eine möglichst große Distanz zur Volksrepublik.Tsai, die eine zweite Amtszeit anstrebt, hat schon einmal versucht, ihrem potenziellen Herausforderer den Wind aus den Segeln zu nehmen. “Es ist einfacher, Boss von einer Million Menschen zu sein, als im Dienst von 23 Millionen Bürgern zu stehen”, mokierte sich Tsai über den Einstieg des Unternehmers in die Politik.Dieser bewirbt sich in der oppositionellen Nationalen Volkspartei Chinas – Kuomintang – um eine Kandidatur und liegt gemäß jüngsten Umfragen auch klar vor seinen vier parteiinternen Rivalen. Dass Gou dabei diese Partei ausgesucht hat, überrascht nicht, sind seine Eltern doch 1949 vom Festland nach Taiwan geflüchtet. Gleichzeitig wie auch die Kuomintang, die nach dem gegen die Kommunistische Partei verlorenen Bürgerkrieg auf die Insel übergesetzt und diese danach über vier Jahrzehnte auch regiert hatte.Am Freitag hat Gou auf der jährlichen Aktionärsversammlung mit der angekündigten Übergabe des Verwaltungsratsvorsitzes von Foxconn – an der Börse besser als Hong Hai bekannt – schon einmal eine wichtige Brücke hinter sich abgebrochen. Die am 1. Juli anstehende Stabsübergabe an Young Li, den bisherigen Leiter der Halbleitersparte des Unternehmens, dürfte ihm nicht ganz leicht fallen. Gou war während 45 Jahren immer an vorderster Front am Aufbau des wichtigsten Zulieferers des US-Techkonzerns Apple zu finden.Dank seiner großen Durchsetzungskraft meisterte er dabei auch größte Herausforderungen, so etwa die asiatische Finanzkrise von 1997 und ein Jahrzehnt danach die globale Finanzkrise. Beide Male brach der Absatz von Foxconn zwar massiv ein, doch ließ der Konzern die Krise schlussendlich gestärkt hinter sich.Doch geriet das mit fast schon militärischer Härte geführte Unternehmen immer wieder auch in das Kreuzfeuer der Kritik, beispielsweise als sich in der Vergangenheit bei Mitarbeitern die Suizide häuften. Der Konzern durchläuft auch jetzt wieder eine kritische Phase, er ist mit seinen Standorten in China und als wichtiger Zulieferer von US-Technologieunternehmen im amerikanisch-chinesischen Handelskrieg zwischen die Fronten geraten. Gou hat bereits reagiert und Apple eingeladen, Produktionsstätten vom Festland nach Taiwan zu verlegen. Schmaler GratAls Innenpolitiker mag er sich damit bei den Wählern zwar beliebt machen, doch dürfte die chinesische Regierung am möglichen Verlust von Zehntausenden von Arbeitsplätzen kaum Freude haben. Das zeigt schon einmal mehr als deutlich, dass Gou politisch auf einem schmalen Grat wandert.Dieser ist in den vergangenen Tagen infolge der angespannten politischen Lage in Hongkong noch schmaler geworden. Die lange in der Wählergunst weit abgeschlagene Staatspräsidentin Tsai hat gemäß jüngsten Meinungsumfragen durch die Vorkommnisse in der ehemaligen britischen Kolonie gewaltigen Auftrieb erhalten. Der erfolgsverwöhnte Gou muss jetzt zeigen, dass er auch auf glattem politischen Parkett bestehen kann.