NOTIERT IN MADRID

Der Alarmzustand macht den Separatisten Hoffnung

In Spanien ist in diesen Tagen die Ver- und Bewunderung groß darüber, wie Deutschland die Coronavirus-Pandemie offenbar besser im Griff hat und die Zahl der Todesopfer gerade einmal ein Viertel derer hierzulande beträgt. In den Medien gab es viel...

Der Alarmzustand macht den Separatisten Hoffnung

In Spanien ist in diesen Tagen die Ver- und Bewunderung groß darüber, wie Deutschland die Coronavirus-Pandemie offenbar besser im Griff hat und die Zahl der Todesopfer gerade einmal ein Viertel derer hierzulande beträgt. In den Medien gab es viel Lob für das Krisenmanagement von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wobei die Abstimmungsschwierigkeiten und Differenzen mit den Landesregierungen ebenfalls Aufmerksamkeit erregten. In Spanien zieht man gerne Vergleiche zum föderalen Modell der Bundesrepublik, da das Land mit seinen 17 Autonomen Regionen auch dezentral organisiert ist, freilich auf unterschiedliche Weise. Im Gegensatz zu Merkel hat der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez bei der Bekämpfung der Pandemie denn auch weitaus mehr Spielraum. Unter dem seit nunmehr sechs Wochen geltenden Alarmzustand hat die Zentralregierung in Madrid allein das letzte Wort. Die Kompetenzen der Regionen bei der Gesundheitsversorgung und der inneren Sicherheit sind vorerst zum guten Teil ausgesetzt. Die Regionalregierungen werden lediglich beratend hinzugezogen. Das sorgt natürlich für politische Spannungen. Anders als in Deutschland geht es dabei nicht um den Kampf zweier Provinzfürsten um den Vorsitz einer Volkspartei. Gegen den Ausnahmezustand begehren vor allem die alten Bekannten auf: die Nationalisten in Katalonien und dem Baskenland. Die Regierungen beider Landesteile klagten von der ersten Minute des Alarmzustandes an gegen den Kompetenzentzug durch Madrid.Einige Separatisten sehen in der vom verhassten Zentralstaat verhängten Ausgangssperre gar eine Chance. Oriol Junqueras, der wegen seiner Beteiligung am Unabhängigkeitsreferendum 2017 inhaftierte Vorsitzende der Republikanischen Linken ERC, erklärte in einem Zeitungsartikel, dass mit dem Virus die Unabhängigkeit Kataloniens “so dringend und unumgänglich wie noch nie” sei. Aus der katalanischen Regierung kamen Behauptungen, wonach ein unabhängiges Katalonien die Coronakrise viel besser meistern würde. So hätte man schon 15 Tage vor der Entscheidung in Madrid Mitte März eine Ausgangssperre verhängt. Die Opposition in Barcelona erinnerte die Separatisten daran, dass sie 15 Tage zuvor eine Massendemonstration in Perpignan, im katalanischen Teil Frankreichs, veranstaltet hatten.Katalonien ist nach der Hauptstadtregion Madrid der von Covid-19 am meisten betroffene Landesteil, mit fast 50 000 Infizierten und 4 700 Todesfällen. Als Sánchez die spanischen Streitkräfte in das Krisenmanagement miteinbezog, war der Aufschrei in Barcelona groß. Doch Tage später begrüßte man die Arbeiten einer militärischen Sondereinheit zur Desinfektion von Altenheimen. “Die Regierung fragt wen auch immer um Hilfe”, so der katalanische Innenminister Miquel Buch.Der katalanische Regierungschef Quim Torra ist sichtbar bemüht, sich mit eigenen Vorschlägen immer wieder klar vom Krisenmanagement der Koalition von Sánchez abzusetzen. Seinen Vorschlag für einen bei Experten umstrittenen Immunitätsausweis für Personen, die die Viruserkrankung überstanden haben, kassierte er wieder ein. Ebenso die Ankündigung, Masken an die gesamte Bevölkerung zu verteilen – mangels Material. In einem offenen Brief an Torra forderten nun zwei Dutzend katalanische Gesundheitsexperten ein Ende der Politisierung der Krise.Auch die baskischen Nationalisten der PNV haben seit Beginn der Krise gegen die Rezentralisierung ihrer Kompetenzen gewettert. Die PNV ist eine der parlamentarischen Stützen der Minderheitsregierung von Sánchez in Madrid und regiert gleichzeitig im Baskenland in Koalition mit den Sozialisten des spanischen Ministerpräsidenten. Den Nationalisten stieß besonders die zweiwöchige Stilllegung aller nicht existenziellen Wirtschaftszweige auf, da im Baskenland das Gewicht der exportorientierten Industrie bedeutend größer ist als in anderen Landesteilen. Im Gegensatz zu den Katalanen hat die PNV bislang im spanischen Parlament die Dekrete von Sánchez abgesegnet. Die baskischen Nationalisten bleiben aber bei ihrer lautstarken Kritik an Madrid. Schließlich wollen sie im Juli die Regionalwahlen nachholen, die am 5. April wegen der Pandemie abgesagt worden waren.