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Der Brexit forciert die Reform des EU-Haushalts

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 25.1.2017 Auf Arbeitsebene sitzen die Experten in Brüssel schon längst zusammen, um den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen für das EU-Budget abzustecken. Eigentlich geht es um die Jahre nach 2020. Da die...

Der Brexit forciert die Reform des EU-Haushalts

Von Andreas Heitker, BrüsselAuf Arbeitsebene sitzen die Experten in Brüssel schon längst zusammen, um den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen für das EU-Budget abzustecken. Eigentlich geht es um die Jahre nach 2020. Da die Finanzplanung aber irgendwie auch mit dem Brexit koordiniert werden muss, könnte es durchaus auch zu einem früheren Start kommen. Sicher scheint aber bereits jetzt, dass die Verhandlungen noch zäher verlaufen werden als sonst, da der Ausstieg des Nettozahlers Großbritannien zum einen ein Loch in den Etat reißt. Und zum anderen – so befürchten zumindest das Jacques Delors Institut und die Bertelsmann Stiftung in einer Studie – könnte dies die bestehenden Unterschiede zwischen Nettozahlern und -empfängern in der EU noch weiter verfestigen.Experten kalkulieren mit einer Budgetlücke von jährlich rund 10 Mrd. Euro. Die genauen Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor, aber 2015 hat Großbritannien sogar 11,5 Mrd. Euro netto nach Brüssel überwiesen. Das Land war damit nach Deutschland der größte Finanzier der Europäischen Union. Ob der Brexit nun zu Beitragserhöhungen für die übrigen Mitgliedstaaten führt oder dazu, dass der EU-Haushalt verkleinert wird, dürfte noch zu hitzigen Debatten führen. Die Bundesregierung lehnt dabei einen höheren deutschen Beitrag gar nicht einmal kategorisch ab. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat aber bereits deutlich gemacht, dass dies mit Änderungen auf der Ausgabenseite einhergehen muss. Er dringt darauf, die Prioritäten zu überprüfen, um mehr Mittel für Themen wie Migration, Sicherheit und Verteidigung freizusetzen, und auf mehr Flexibilität im Budget, um auf künftige Krisen besser reagieren zu können. Vor allem aber fordert Schäuble, dass die Vergabe von EU-Kohäsionsmitteln mit den länderspezifischen Reformempfehlungen verknüpft werden, die jährlich in Brüssel erstellt, in den einzelnen Mitgliedstaaten jedoch häufig kaum beachtet werden.Es ist längst nicht nur die Ausgabenseite, die aktuell auf den Prüfstand gestellt wird – auch die Finanzierungsquellen der EU stehen im Fokus. Seit einigen Tagen liegt nach fast dreijähriger Arbeit der Abschlussbericht einer hochrangig besetzten EU-Expertengruppe unter der Leitung des früheren italienischen Ministerpräsidenten und ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti vor, in der diese für eine deutliche Stärkung der sogenannten Eigenmittel plädiert. Diese Eigenmittel standen in den 1970er Jahren zeitweise für zwei Drittel der EU-Einnahmen, verloren dann aber immer mehr an Bedeutung. In den vergangenen Jahren machten diese Geldflüsse aus Zöllen, Zuckerabgaben oder Kartellstrafen nur noch wenig mehr als 10 % der Einnahmen aus. Fast drei Viertel des EU-Haushalts stammen heute von den auf den Wirtschaftsleistungen der einzelnen Mitgliedstaaten basierenden Beiträgen. Hinzu kommt ein Anteil an dem Mehrwertsteueraufkommen der EU-Länder (siehe Grafik). Verstärkte LenkungswirkungMonti bringt jetzt zahlreiche neue Geldquellen ins Spiel, die auch die Lenkungswirkung des EU-Budgets bei den Einnahmen stärker betonen. Es geht um Einnahmen aus der Besteuerung von CO2, von Energie oder Mineralöl, aus einer Reform der Unternehmensbesteuerung – etwa der von der EU-Kommission vorgeschlagenen gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (CCCTB) oder auch aus einer seit Jahren diskutierten Finanztransaktionssteuer (FTT).Die europäischen Grünen im EU-Parlament haben in einer eigenen Studie 2016 bereits durchgerechnet, dass die neuen möglichen Finanzierungsquellen die heutigen Einnahmen theoretisch komplett ablösen könnten. Sie setzen beispielsweise die FTT mit bis zu 57 Mrd. Euro pro Jahr an. Eine Energiesteuer könnte demnach sogar 81 Mrd. Euro jährlich bringen. Zusätzlich setzen sie gleich noch eine neue Flugticket-Steuer mit auf die Rechnung. Ertrag: gut 5 Mrd. Euro (siehe Tabelle). Der Brexit, so die Ökopartei, eröffne die Möglichkeit einer grundlegenden Reform des EU-Etats.Auch die SPD im Europaparlament unterstützt die Stärkung der Eigenmittel. “Wenn die EU-Mitgliedstaaten diese Vorschläge umsetzen, würden ihre Verteilungskonflikte untereinander erheblich entschärft”, sagt der EU-Abgeordnete und Haushaltsexperte Jens Geier. Auch Monti selbst hofft darauf, über die Eigenmittel den Konflikten zwischen “Zahlern” und “Nutznießern” ein Ende zu machen. Es profitiere schließlich jeder davon, Teil der EU zu sein. Arbeit für OettingerAm Freitag beraten die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen in Brüssel über den Monti-Bericht. Große Begeisterungsstürme sind hier nicht zu erwarten, da die Mitgliedsländer mit einer Stärkung der Eigenmittel auch Macht und Kontrolle abgeben würden. Kritik kommt auch vom CSU-Finanzexperten Markus Ferber, der eine weitere Umverteilung befürchtet. Monti setze an der völlig falschen Stelle an, sagt er. “Der Fokus muss doch darauf liegen, vorhandene Mittel effektiver einzusetzen. Dazu müssen wir auch die grundsätzliche Frage beantworten, welche Aufgaben die EU künftig erfüllen soll.”Die EU-Kommission muss bis Ende 2017 über Reformen im Etat entscheiden. Federführend ist dabei der neue Haushaltskommissar Günther Oettinger. Und der hat jüngst im EU-Parlament bereits grundsätzliche Sympathien für mehr Eigenmittel durchblicken lassen.