BREXIT IM SCHWEBEZUSTAND - GASTBEITRAG

Der Brexit und M&A-Transaktionen

Börsen-Zeitung, 17.4.2019 Der Austrittstermin und die Bedingungen des Ausscheidens Großbritanniens aus der Europäischen Union sind nach wie vor offen. Gleichwohl ist mit wichtigen Änderungen für die M&A-Praxis (Mergers & Acquisitions) zu rechnen....

Der Brexit und M&A-Transaktionen

Der Austrittstermin und die Bedingungen des Ausscheidens Großbritanniens aus der Europäischen Union sind nach wie vor offen. Gleichwohl ist mit wichtigen Änderungen für die M&A-Praxis (Mergers & Acquisitions) zu rechnen. Transaktionen werden weiterhin möglich sein, jedoch gehen viele Vorteile und Gestaltungsvarianten verloren, die die Umsetzung erleichtert und manchmal auch erst möglich gemacht haben. Erhöhter AufwandGroße M&A-Transaktionen sowie damit zusammenhängende Verschmelzungen, Ab- und Aufspaltungen sind heute nicht mehr ohne internationale Bezüge vorstellbar. Die europäische Integration hat in vielerlei Hinsicht zu vereinheitlichten Transaktionsstrukturen und gerade in regulierten Branchen, wie etwa der Kredit- und Versicherungswirtschaft, dem Asset Management und der Pharmaindustrie, zu Vereinfachungen in Bezug auf öffentliche Genehmigungen und Zulassungen geführt. So können britische Unternehmen bislang auf nationale Genehmigungen zurückgreifen, um ihren Geschäften in der EU nachzugehen und umgekehrt. Ebenso profitieren europaweit tätige Unternehmen von harmonisierten Vorschriften zum geistigen Eigentum wie dem Urheber- oder dem Markenrecht. In der Folge eines Brexits sind Genehmigungen und Erlaubnisse häufig mehrfach einzuholen – für die EU und für das Vereinigte Königreich.Ohne abweichende Brexit-Vereinbarung dürfen bei öffentlichen Übernahmen keine nur an britischen Börsen gehandelten Aktien als Gegenleistung angeboten werden. Vielmehr bedarf es hierfür einer Zulassung der Aktien zum Handel an einer Börse in der EU, was erheblichen zusätzlichen Aufwand bedeutet und Übernahmen durch britische börsennotierte Gesellschaften in der EU erschwert. Entsprechendes dürfte für Umtauschangebote von EU-Gesellschaften für britische Unternehmen gelten.Es ist auch davon auszugehen, dass neben die Fusionskontrolle und Wettbewerbsaufsicht durch die EU-Kommission zusätzliche Freigaben durch die britische Wettbewerbsbehörde CMA treten. Die Konzentration auf die EU-Kommission bei größeren Transaktionen entfällt. EU-Passporting läuft ausDie Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) führte kürzlich zu prospektrechtlichen Folgen des Brexits aus, dass Emittenten, deren Prospekte in Großbritannien gebilligt sind, das EU-Passporting nur noch für bereits laufende Angebote auf die dortige Zulassung nutzen können. Die britische Zulassung kann daher dann für öffentliche Angebote von Wertpapieren oder die Einbeziehung von Wertpapieren zum Handel an einer Börse nicht mehr nutzbar gemacht werden. Dort gebilligte Prospekte dürfen auch nicht mehr durch Nachträge aktualisiert werden. Emittenten müssen deshalb bei Neuemissionen einen neuen Herkunftsmitgliedsstaat wählen und den Prospekt neu billigen lassen.Voraussichtlich wird auch die Auslandsinvestmentkontrolle bei Transaktionen mit britischer Beteiligung erheblich an Stellenwert gewinnen. So wären britische Investoren, die ein deutsches Unternehmen erwerben oder sich an ihm beteiligen wollen, im Rahmen der deutschen Auslandsinvestitionskontrolle künftig als Unionsfremde zu qualifizieren, sollte das Vereinigte Königreich nicht zu einem EWR-Staat werden. Dies bedeutet, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie alle Unternehmenserwerbe dieser Art prüfen kann. Nach den seit Dezember 2018 gültigen Schwellenwerten gilt dies bereits bei einer Beteiligung von 10 % an einem Unternehmen, das in einem besonders sicherheitsrelevanten Sektor tätig ist. Im Übrigen gilt die Schwelle von 25 %. Bisher unterliegen Erwerbe von Investoren aus dem Vereinigten Königreich nur in einem sehr begrenzten Umfang dieser Kontrolle. Viele neue EinschränkungenAus der europäischen Niederlassungsfreiheit folgt, dass Mitgliedstaaten innerhalb der EU Gesellschaften einen grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel ermöglichen müssen. Ferner sehen die Rechtsordnungen der EU-Staaten vor, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen und Umwandlungsvorgänge anderer Art grenzüberschreitend möglich sind. Mit dem Brexit sind solche Strukturmaßnahmen auch in Umsetzung oder in Folge einer M&A-Transaktion mit britischen Unternehmen nur noch sehr eingeschränkt möglich.—-Matthias Horbach, Partner der Kanzlei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom