Der Brexit verliert seinen Schrecken
lz Frankfurt – Nach dem tiefen Einbruch der Konjunkturerwartungen im vergangenen Monat unmittelbar nach dem Brexit-Votum der Briten scheinen die deutschen Finanzexperten inzwischen wieder etwas optimistischer in die Runde zu blicken. Der Indikator des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) stieg um 7,3 Punkte auf 0,5 Zähler, teilte das Institut am Dienstag mit. Der Juni-Wert von knapp 20 Punkten wurde damit aber noch nicht erreicht. Das langjährige Mittel liegt mit 24,3 Zählern noch etwas höher.Ökonomen hatten vor dem Hintergrund überraschend stabiler harter Konjunkturdaten zumindest eine Erholung auf 2,0 Zähler vermutet. Dafür hellte sich allerdings die Bewertung der aktuellen Lage deutlicher auf als erwartet. Der Index stieg um 7,8 Punkte auf 57,6 Zähler (Erwartung: 50,2 Punkte).Die Erholung des ZEW-Index signalisiert nach Ansicht von Ökonomen zwar, dass keine unmittelbare Rezessionsgefahr herrscht in Deutschland wegen des anstehenden Austritts der Briten aus der EU, die Daten vermittelten aber auch nicht das Gefühl, dass dieses Ereignis spurlos an den deutschen Unternehmen vorbeigeht. ZEW-Präsident Achim Wambach verweist auf die vielfachen politischen Risiken und auf die Unsicherheit bezüglich der Widerstandsfähigkeit des EU-Bankensektors. Und Holger Sandte von Nordea hält den Indikator in der augenblicklichen Situation grundsätzlich für wenig aussagekräftig: “Die vom ZEW befragten Finanzanalysten stehen unter dem Eindruck der Aktienmärkte, die sich vom ersten Brexit-Schock kräftig erholt haben. Also war ziemlich klar, dass die ZEW-Erwartungen steigen würden.”Deutlich stärker als in Deutschland verbesserten sich die Konjunkturerwartungen im Euroraum, wobei vor allem Frankreich und Italien herausstechen. In beiden Ländern befindet sich die Lagebeurteilung aber tief im negativen Bereich. Der Erwartungsindikator für das Währungsgebiet legte um 19,3 Punkte auf 4,6 Zähler zu, der Lageindikator nur um 2,3 Punkte auf – 10,3 Zähler. Stimmung bessert sichAuch in Großbritannien hat sich die Stimmung wieder leicht verbessert. Das äußerst niedrige Niveau des Indikators deutet aber weiterhin auf eine Konjunkturabschwächung hin, analysiert Stefan Kipar von der BayernLB. Hierzu passt ein deutlicher Rückgang der konjunkturellen Lageeinschätzung im Land (-19,9 auf – 36,5 Punkte). Auch erwarten die meisten befragten Analysten (67,4 %) eine weitere Abwertung des Pfund. Nach dem umfangreichen Lockerungspaket der Bank of England auf ihrer letzten Sitzung sanken zudem, wenig überraschend, so Kipar, die Erwartungen sowohl an die kurzfristigen als auch an die langfristigen Zinsen auf Sicht der kommenden sechs Monate.