Der Club der alten, weißen Herren
Die kommende US-Präsidentschaftswahl, die erst in 17 Monaten stattfinden wird, wirft schon ihren Schatten voraus, und in einem ungewöhnlich frühen Stadium scheinen sich bereits klare Favoriten herauskristallisiert zu haben. Ohne sensationelle Enthüllungen noch, etwa über die von vielen vermutete finanzielle Abhängigkeit, in der sich Donald Trump gegenüber Moskau befinden könnte, wird dem US-Präsidenten die republikanische Nominierung wohl kaum zu nehmen sein. Bisher hat lediglich William Weld (73), der frühere Gouverneur von Massachusetts, seinen Hut in den Ring geworfen. Der gemäßigte Republikaner war vor drei Jahren unter Gary Johnson Vizepräsidentschaftskandidat der Libertarier. Politische Experten sind aber überzeugt, dass aus der Sicht des typischen Trump-Wählers der Jurist, der an den renommierten Universitäten Oxford und Harvard studierte, ein weiterer Vertreter der intellektuellen “Ostküsten-Elite” ist, den sie kaum von einem etablierten Demokraten unterscheiden können.Interessanter gestaltet sich das Rennen auf der demokratischen Seite. So hatten die Demokraten ihren Durchmarsch bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus im vergangenen November vorwiegend einer Welle junger, dynamischer, progressiver Kandidaten zu verdanken. Als Ergebnis sind jetzt in der unteren Kongresskammer mehr Frauen und ethnische Minderheiten vertreten als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte der USA.Umso ironischer ist die Tatsache, dass sich bei der Oppositionspartei im Rennen um das höchste Amt im Lande ausgerechnet ein Zweikampf zwischen zwei älteren, weißen Herren abzeichnet. An fast allen Umfragen gemessen liegen der frühere Vizepräsident Joe Biden (76) und Senator Bernie Sanders (77) aus Vermont deutlich vor Senkrechtstartern wie Senatorin Kamala Harris, dem nur 37-jährigen Bürgermeister Pete Buttigieg oder dem früheren Kongressabgeordneten Beto O’Rourke. Die Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts, die diesen Monat ihren 70. Geburtstag feiert und auch nicht mehr zur jungen Garde zählt, belegt in den meisten Wählerbefragungen hinter den beiden “elder statesmen” Biden und Sanders den dritten Platz.Für die Dichotomie zwischen dem Vorpreschen einer linksliberalen Generation von Politikern, die für Gleichberechtigung, Umweltschutz, Multilateralismus und den Abbau sozialer sowie wirtschaftlicher Ungleichgewichte kämpfen, und dem Führungsanspruch zweier betagter Karrierepolitiker gibt es einen plausiblen Grund: Fast alle demokratischen Wähler und viele unentschlossene Wechselwähler, die sich keiner Partei verpflichtet fühlen, wollen schlicht und ergreifend jenen Kandidaten nominieren, der die größten Chancen hat, Trump bei der Wahl in die Knie zu zwingen. *Vertreter der noch lose organisierten “Anyone But Trump”-Bewegung sehen in der Tat in Biden jenen Kandidaten, der die besten Aussichten hat, im November 2020 das Weiße Haus für die Oppositionspartei zurückzuerobern. Wie auch Trump zeichnet sich der frühere Stellvertreter von Präsident Barack Obama durch sein volkstümliches Auftreten und einen hemdsärmeligen Umgangston aus, der Trumps politische Basis anspricht. Für viele wirkt aber Biden, der im Gegensatz zum amtierenden Präsidenten in ausgesprochen bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen ist, wesentlich authentischer und überzeugender.Dass ihm Biden gefährlich werden kann, hat auch Trump erkannt, der im direkten Duell seinen deutlichen Rückstand in den Wählerumfragen sieht und wie gehabt zum Angriff bläst. So meinte der Präsident zuletzt anlässlich seines Staatsbesuchs in Japan, dass er Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zustimme, der vom dem früheren Vizepräsidenten meinte, dieser habe “einen sehr geringen Intelligenzquotienten”. Derartige Schläge unterhalb der Gürtellinie dürften im kommenden Wahljahr nicht mehr ankommen, schon gar nicht in Bidens Heimatstaat Pennsylvania, auf dessen Elektorenstimmen Trump aber dringend angewiesen ist, wenn er wiedergewählt werden will.